9-Euro-Ticket und falsche Ansprüche

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Nur (m)eine Meinung #46: 9-Euro-Ticket und falsche Ansprüche

Das 9-Euro-Ticket ist beschlossene Sache. Ab Juni zahlt man drei Monate lang monatlich 9 Euro für den Regionalverkehr in Bus und Bahn – mit bundesweiter Gültigkeit. Dies gilt sowohl für Neukunden, die sich das neue Ticket kaufen als auch für Bestandskunden mit einem Abo. Nach der anfänglichen Freude regte sich ganz schnell Kritik am 9-Euro-Ticket. Die Argumente sind allesamt nachvollziehbar. Auf ausgelasteten Strecken werde man kaum Platz in den Fahrzeugen haben. Wenig ausgelastete Strecken bleiben weiterhin unausgelastet aufgrund der schlechten Anbindung (z.B. im ländlichen Raum). Und generell solle man die 2 Milliarden Euro, die der Bund als finanziellen Ausgleich besteuert, lieber in den Ausbau des Streckennetzes stecken, damit Bahnfahren künftig nachhaltig attraktiver werde. Statt mehr Menschen dauerhaft zum Umstieg auf Bus und Bahn zu bewegen werde man sie vielmehr auf Jahre verprellen, weil sie in diesen drei Monaten in überfüllten und verspäteten Zügen sitzen werden. Die Menschen, die ohnehin schon den ÖPNV nutzen, würde man ärgern, weil es in den drei Monaten aufgrund der höheren Auslastung unangenehmer werde, mit Bus und Bahn zu fahren.

All diese Argumente sind richtig. Jedoch war es nie Sinn und Zweck, mit dieser Aktion das Bahnfahren attraktiver zu machen und nachhaltig neue Kunden zu gewinnen. Dies wäre allenfalls ein wünschenswerter Nebeneffekt. Der einzige Grund, aus dem das 9-Euro-Ticket eingeführt wird, ist die finanzielle Entlastung der Bürgerinnen und Bürger aufgrund der hohen Inflationen. Ich selbst habe ein Monatsticket, dass trotz Großkundenrabatt monatlich etwas über 70 Euro kostet. Dank des 9-Euro-Tickets spare ich in den nächsten drei Monaten mehr als 180 Euro. Mit dieser Ersparnis sowie der Energiepauschale und der Abschaffung der EEG-Umlage kann ich meine nächste Nebenkosten-Nachzahlung oder die gestiegenen Lebensmittelkosten kompensieren – wenn auch vielleicht nur zum Teil. Damit erfüllen die Maßnahmen ihren Zweck und ich bin dankbar dafür.

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Die Bundesregierung bietet uns eine Entlastung in Zeiten, in denen alles teurer wird. Nicht mehr und nicht weniger. Wir erwarten jedoch gleich eine Revolution. Am besten soll der Staat sämtliche Teuerungen in voller Höhe ausgleichen und noch den ÖPNV massiv ausbauen – den wir dann natürlich dauerhaft für 9 Euro oder sogar kostenlos nutzen dürfen sollten. Warum sich mit dem kleinen Finger zufrieden geben, wenn man auch den ganzen Arm haben kann?

Anstatt dankbar dafür zu sein, dass der Staat die Bürger mit Maßnahmepaketen zumindest teilweise entlastet, erheben wir den realitätsfremden Anspruch, dass uns der Staat vor allem Bösen beschützt. Aber das kann der Staat weder leisten, noch ist es seine Aufgabe. Ein Kunde kann hohe Ansprüche und Erwartungen an einen Dienstleister stellen und sich an einen besseren Dienstleister wenden, wenn er unzufrieden ist. Der Staat ist aber kein Dienstleistungsunternehmen und wir sind keine Kunden. Wir sollten aufhören, uns dem Staat gegenüber wie Kunden zu benehmen.

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