Das Verhalten im Internet

Internetrecht

Es fehlt ein digitaler Zivilisationsprozess
Das Internet ist eine der wichtigsten Entwicklungen der letzten 50 Jahre. Da es mittlerweile kein Neuland mehr ist, wissen wir um die großen Vorzüge, aber auch um die Schwächen dieser Technologie. Mitte der 90er Jahre begann das Internet alltagstauglich zu werden. Es war vor allem noch ein komplett rechtsfreier Raum. Illegale Inhalte konnten problemlos auf Webseiten und Tauschbörsen verbreitet und konsumiert werden. Mit der Einführung von DSL um die Jahrtausendwende verstärkte sich diese Entwicklung nochmal. Im Laufe der Jahre hat die Politik aber auf das Internet reagiert und Gesetze erlassen, die den Umgang darin regeln. Maßstab für erlaubte und verbotene Aktivitäten im Netz sind – und das ist naheliegend – unsere moralischen Normen und Rechtsvorschriften aus der analogen Welt. Bestimmungen über das Urheberrecht wurden an die technischen Möglichkeiten angepasst und Inhalte wie Aufruf zum Mord oder Kinderpornografie bleiben auch in der digitalen Welt zu Recht ein Verbrechen. Von wo aus man auf illegale Inhalte zugreift oder sie verbreitet ist ausschlaggebend dafür, welcher Gerichtsbarkeit man unterliegt.
Bevor die Regeln und Gesetze zum Umgang mit illegalen Aktivitäten im Internet ausgearbeitet und Möglichkeiten zur Identifizierung der Nutzer entwickelt wurden, gewöhnte man sich an die Anonymität im Netz als rechtsfreier Raum. Und viele Menschen scheinen diese Anonymität – mit Nicknames ganz allein vor dem Rechner – noch immer als existent zu betrachten. Dabei vergessen sie möglicherweise, dass sie auf Portalen wie Facebook sogar unter Klarnamen schreiben. Falls sie dies nicht vergessen, sind sie womöglich auch ziemlich naiv, denn das Gefühl der Sicherheit und Anonymität muss für sie noch immer sehr hoch sein. Anders scheint es nicht erklärbar zu sein, warum viele Menschen in den sozialen Netzwerken beleidigen, pöbeln und teilweise sogar diskriminierende und damit illegale Kommentare und Postings veröffentlichen. Die Hemmschwelle im Internet sinkt. Man sitzt alleine vor dem Bildschirm und kann derbe Sprüche und Ansichten verbreiten, ohne den direkten Kontakt derer fürchten zu müssen, an die sich die Kommentare richten. Dass ein solches Verhalten Konsequenzen im ‚richtigen Leben‘ haben kann, blenden viele einfach aus. Dabei verfolgt die Polizei bereits aktiv Personen, die volksverhetzende Parolen im Netz verbreiten oder illegale Inhalte konsumieren oder tauschen. So verurteilte das Amtsgericht Tiergarten letzte Woche einen 34-Jährigen zu einer Geldstrafe von 4.800€, weil er sich im Internet fremdenfeindlich äußerte. Ausfindig gemacht wurde der Mann vom polizeilichen Staatsschutz. Dieser ist für die Bekämpfung von politisch motivierter Kriminalität verantwortlich.[1]

Internetrecht

©Rainer Sturm/pixelio.de

Zwar kann Aufklärung über den korrekten Umgang im Internet nicht schaden, jedoch wird diese Aufklärung nicht allzu viel bringen. Menschen, die sich im Netz daneben benehmen und ihre verachtenden Parolen verbreiten, gab es schon früher. Man nahm sie allerdings weniger wahr. Mit dem Internet haben sie nun eine Plattform gefunden, um der Welt schnell und einfach ihre Meinung mitzuteilen und sich noch einfacher organisieren zu können. Wie eben erwähnt, ahndet die Polizei mittlerweile zwar Verbrechen im Internet. Doch zurzeit sind die Möglichkeiten der Polizei noch sehr begrenzt. In der kaum zu überblickenden Flut von Informationen und Kommentaren ist es noch immer schwer, einzelne Personen ausfindig zu machen und zur Verantwortung zu ziehen. Erst wenn eine konsequente Strafverfolgung im Internet gelingt und genug Personen von ihr betroffen sind, wird vielleicht ein Umdenken stattfinden und ein digitaler Zivilisationsprozess eintreten. Doch bis es soweit ist – falls dieser Zustand jemals in Gänze erreicht werden kann und soll* – sind Administratoren von Blogs, Facebook-Seiten und Webseiten dazu angehalten, geltendes Recht durchzusetzen, indem illegale Inhalte gelöscht und die Urheber geblockt werden.

*Es gibt auch gute Argumente, die dagegen sprechen. Unser Verständnis von Privatsphäre befindet sich im Wandel. Mehr dazu bald auf meinem Blog.

[1] Quelle: n-tv.de [Abgerufen am 22.08.15]

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