Lebensveränderung durch das Internet

Ein Kommentar von Can Keke
Wer die 90er Jahre tatsächlich noch miterleben durfte oder musste, konnte einerseits den Start des massentauglichen Internets erfahren, andererseits auch die abstruse Zeit vor ebendiesem „interconnected network“. Eine Zeit, in der es möglich war, soziale Netzwerke auf rein analoger Basis, ohne den Status „online“ innezuhaben, zu gestalten und zu leben. Waren früher noch der Sandkasten, das Baumhaus, die Straße oder die eigene Wohnung Plattformen für das Pflegen sozialer Kontakte, ist es heute in vielen Fällen nur noch der Schreibtisch. Und nicht bloß, was die sozialen Netzwerke anbelangt, haben wir durch das Internet mit Veränderungen im Alltagsleben zu kämpfen oder auch zu lieben. Wir erfreuen uns den vielen Möglichkeiten, genauso weinen wir vielleicht auch über jene.

War es damals noch interessant, viele Geschäfte zu durchstöbern, nach dem richtigen Geburtstagsgeschenk zu suchen, so ist das passende Geschenk heute vielleicht nur einen Mausklick entfernt – sowohl für den Käufer als auch dem Beschenkten. Jeder kann zu jeder Zeit über alles verfügen. Dieses neue Einkaufsverhalten zeigt nicht bloß eine Simplifikation des Shoppings, es äußert sich auch konkret in der Wandlung unserer Innenstädte oder Städte insgesamt. Ein Konkurrenzkampf zwischen den Geschäften, die im Internet keine teuren Ladenmieten zahlen müssen sowie mit bedeutend weniger Personal auskommen, und dem konventionellen Laden um die Ecke. So ist vielleicht nicht der Verlust von Kaufkraft eine entscheidende Ursache für den Wandel unserer Innenstädte, in denen Ladenleerstände ihr Unwesen treiben und Ramschläden aus dem Boden sprießen. Der Offline-Markt hat mit dem Internet einen ungeheuren Gegner gefunden. Einkaufszentren sind vielleicht eine Antwort auf diese Entwicklung: Was letztlich aus diesem neuen Wettbewerb in Zukunft resultieren wird, ist noch nicht abzusehen. Das Internet ist schon längst nicht mehr nur Konkurrent der normalen Geschäfte. Auch für Psychotherapien, Universitätsabschlüsse und dergleichen bietet das Internet mittlerweile alternative Programme an.

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Der Internetanschluss ist zum Standard geworden; und das nicht nur zuhause, sondern auch im Hosentaschenformat. Das Internet ist Arzt, Rechtsanwalt, Lehrer, Freund, Bibliothek und sicher noch vieles mehr. Jeder Bürger hat theoretisch Zugang zu einem riesigen Berg an Wissen, aber auch Pseudowissen, das er privat oder beruflich nutzen kann. Teilweise wird sogar gefordert, das Internet als ein Menschenrecht festzulegen. Schließlich ist der freie Zugang zu Wissen von enormer Bedeutung. Gleichzeitig birgt die Informationsflut auch die Gefahr der Überforderung des Einzelnen. Da wir physisch auf dem evolutionären Stand der Steinzeit sind, müssen wir erst Wege finden, mit diesen Informationen umzugehen, sie zu ordnen und praktisch brauchbar zu machen. So schnell wie sich unsere Umwelt ändert, kann sich unsere Psyche im Vergleich, trotz extremer Anpassungsfähigkeit, oftmals nur bedingt schnell auf die permanente Entwicklung einstellen.

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