Meinungsfreiheit ist kein Freifahrschein
Seit dem Anschlag in Paris vor zwei Wochen wird in Deutschland über Meinungsfreiheit diskutiert. Für diese Meinungsfreiheit gehen viele Menschen auf die Straße. Nicht zu Unrecht! Denn die Meinungsfreiheit ist ein wichtiges Grundrecht, das es der Presse erlaubt, über Themen zu berichten, die manche Menschen für indiskutabel halten. Aber nicht nur für Journalisten ist Meinungsfreiheit ein wichtiges Grundrecht. Jeder einzelne Bürger in unserem Land hat das Recht darauf, seine Meinung zu äußern, ohne dafür bestraft, zensiert oder ausgegrenzt zu werden. Dabei ist es egal, welche Meinung ein Bürger hat. Von diesem Grundrecht machen die Zeichner der Mohammed-Karikaturen Gebrauch. Sie kritisieren zynisch gewisse Aspekte des Islams und dies muss auch uneingeschränkt erlaubt sein.
Doch was rechtlich absolut in Ordnung ist, muss moralisch nicht geboten sein. Und die Art, wie religiöse Gefühle unter dem Deckmantel der Satire verachtet und mit den Füßen getreten werden, überschreitet womöglich die Grenzen dessen, was moralisch legitim ist. Es ist richtig und wichtig, wenn sich z.B. mit dem Islam kritisch auseinandergesetzt wird. Dies kann natürlich auch auf humoristischer Ebene erfolgen. Aber ist es nicht möglich, (humoristische) Kritik zu üben, ohne gleich beleidigend und verletzend zu werden? Verstoßen wir nicht selbst gegen ein Grundrecht – nämlich die Menschenwürde – wenn unser Humor andere Menschen unterhalb der Gürtellinie trifft? Sind wir nicht mehr kultiviert genug, um unsere Kritik deutlich zu artikulieren, ohne dabei vulgär zu werden?
Eine ähnliche Situation herrscht bei der PEGIDA-Debatte vor. Vermeintlich Aufgeklärte stellen sich den PEGIDA-Demonstranten entschlossen entgegen, bezeichnen diese als rechtsradikal und fordern „Vielfalt statt Einfalt“. Doch wer ist hier eigentlich einfältig? Sind es wirklich die PEGIDA-Demonstranten, die das Gefühl haben, von der Politik und dem Rest der Gesellschaft nicht ernst genommen zu werden, oder sind es die pseudo-Liberalen und pseudo-Aufgeklärten, die die Ängste und Sorgen der PEGIDA-Anhänger tatsächlich nicht ernstnehmen und Beleidigungen aussprechen, anstatt einen sachlichen Dialog zu führen? Können die Aufgeklärten überhaupt noch einen sachlichen Dialog führen und PEGIDA-Anhängern die Sorgen mit Fakten und Argumenten nehmen?
Offensichtlich nicht. Mehr noch: wir können nicht mehr zuhören und uns auf die Bedürfnisse und Sorgen anderer Menschen einlassen. Es herrscht ein Krieg: Rechte bzw. religiöse Ideologie vs. aufgeklärte Ideologie. Beide Seiten haben eine Sache gemeinsam: sie können keine andere Meinung als ihre eigene ertragen und kämpfen gegen diejenigen, die ihre eigenen Ansichten nicht teilen. Statt Andersdenkende ernst zu nehmen und nachzuvollziehen, warum sie so denken, wird verbal und im schlimmsten Falle wortwörtlich auf sie eingeschlagen. Und dabei verstoßen die vermeintlich Aufgeklärten selbst gegen ein wichtiges Grundrecht unserer Gesellschaft, nämlich gegen die Menschenwürde.
Wenn wir uns wirklich friedlichere Zeiten wünschen, dann müssen wir allesamt wieder lernen, respektvoll miteinander umzugehen. Wir müssen lernen, anderen zuzuhören und akzeptieren, dass es Menschen gibt, die anders denken als wir. Erst dann können wir in einen Dialog treten und mit Fakten und sachlichen Argumenten unsere eigene Meinung darstellen und vertreten.
Ich bin nicht Charlie. Ich fordere Denken vor dem Sprechen. Ich äußere meine Meinung nicht – obwohl ich das Recht dazu hätte – mit geschmacklosen und verletzenden Mohammed-Karikaturen oder mit stumpfen „Gegen PEGIDA“-Ausrufen.
Ich fordere Diskussionen, die
- Auf Augenhöhe
- Mit Anstand
- Mit Argumenten statt Slogans
geführt werden!