Die Kirche wird an der Zeit scheitern
Heute gab Papst Benedikt XVI. seinen Rücktritt bekannt. Ab dem 28.02. ab 20 Uhr wird er nicht mehr Papst sein. Diese Meldung überraschte mich, wie wohl viele andere Menschen. Immerhin ist so etwas in der Geschichte des Christentums erst ein einziges Mal vorgekommen. Und das ist nun schon über 700 Jahre her. „Papst Coelestin V. gab 1294 nach nur fünf Monaten freiwillig sein Amt auf.“ (n-tv.de) Während ich die Berichterstattung zu diesem Thema mit Interesse verfolge und es spannend finde, Zeitzeuge dieses historischen Ereignisses zu sein, bewegt der Rücktritt viele Menschen sehr und sie sind positiv oder negativ berührt. Die Bilder über seine Amtszeit zeigen auch Menschen, die den Papst euphorisch feiern – sowohl bei seiner Wahl, als auch bei anderen Gelegenheiten. Warum wurde er wie ein Popstar gefeiert? Aber ich habe Heldenverehrung in diesem Ausmaß sowieso noch nie verstanden. Ich möchte den Leuten ja nicht Freude absprechen. Ich kann verstehen, dass man den Papst als gläubiger Katholik mit Freude willkommen heißt. Die Begeisterungsstürme, die viele an den Tag legten, konnte und kann ich nicht verstehen und nachvollziehen – weder bei dem Papst, noch bei Robbie Williams oder Zac Efron.
Gespannt bin ich nun auf die Wahl des neuen Papstes, die noch vor Ostern stattfinden soll. Je nach Ausrichtung des neuen Pontifex wird die Kirche vielleicht liberale Schritte gehen, oder den konservativen Weg Benedikts weiterverfolgen. Sollte der neue Papst eine liberalere Kirchenpolitik verfolgen, ist aber auch klar, dass die kleinen Schritte in die richtige Richtung den meisten Menschen nicht reichen werden. Die Organisation Kirche bewegt sich seit jeher nur langsam und mühsam aus veralteten Strukturen hinaus. Gerade jetzt, in schnelllebigen Zeiten und im Zeitalter der Globalisierung, wird die Inflexibilität der katholischen Kirche ganz besonders sichtbar und zur noch größeren Schwäche. Durch die Vernetzung der Welt verbreiten sich neue Erkenntnisse, Lebensmodelle und Denkansätze in Windeseile und finden Anhänger auf der ganzen Welt. Die Lebenswirklichkeit der Menschen veränderte sich in den letzten Jahrzehnten so schnell, dass die ohnehin langsame Kirche ihre Lehren und Glaubensgrundsätze weitgehend nicht auf diese neuen Bedingungen anwendbar machen konnte. Gleichzeitig werden kirchliche Skandale wie die Missbrauchsfälle oder die Abweisung der vergewaltigten Frau in der gleichen Geschwindigkeit kommuniziert. Beides führte in den vergangenen Jahren bis heute zu einer regelrechten Kirchenaustrittswelle.
©Katharina Wieland Müller/pixelio.deWenn die Kirche noch eine ernstzunehmende Rolle im Leben vieler Menschen spielen möchte, wird sie nicht darum herum kommen, ihre Theologie der Lebenswirklichkeit der Menschen anzupassen. Dies muss sehr gründlich und sorgfältig geschehen, was bedeutet, dass es Zeit kostet. Mit Hinblick auf den Gegenwind, der vom gestärkten erzkonservativen Lager der Kirche zu erwarten ist, wird es eine Menge Zeit sein, die es brauchen wird. In den nächsten 50 Jahren brauchen wir daher wohl keine bahnbrechenden Kursänderungen der katholischen Kirche zu erwarten. Aber was sind schon 50 Jahre? Gemessen an der Aufgabe, vor der die Kirche steht, nicht viel.
Doch in unserer schnelllebigen und globalisierten Welt werden uns die kommenden 50 theologischen Jahre besonders lang vorkommen. Egal wie konservativ oder liberal der nächste Papst sein wird – er wird die Erwartungen seiner Schäflein nicht erfüllen können und an der Zeit scheitern.
Er wird die Erwartungen seiner Schäflein alleine schon aus dem Grunde nicht erfüllen können weil es einfach zu viele unterschiedlich ausgeprägte Strömungen in der Kirche gibt. Im Prinzip bleibt ihm auch nicht viel anderes übrig als höchstens kleine Änderungen vorzunehmen. Schliesslich gilt das Wort des Papstes als unumstösslich und wenn er zum Beispiel eine andere Meinung als Papst Benedikt vertreten würde so würde das gleichzeitig heissen das Benedikts Wort eben nicht unumstösslich ist. Das wiederum würde auch bedeuten das das aktuelle Urteil eines Papstes eben nicht unumstösslich ist .. je nachdem welche Meinung folgende Päpste haben. Dies ist mit Sicherheit auch einer der Punkte wieso die Kirche in sich selbst gefesselt ist und sich nur äußerst langsam bewegt.
Genau diese Stabilität ist aber vielleicht auch etwas was die Menschen heutzutage in der Kirche suchen. Die Zeit verändert sich so schnell heute. Neue Technologien und auch Ansichten wechseln schon fast von Generation zu Generation. DIe Kirche jedoch ist stabil und man hat das Gefühl an einen Ort zu kommen an dem man auch noch in 10 oder 20 Jahren die Welt versteht und der sich auch seit 20 Jahren kaum verändert hat.
Stabilität kann also durchaus auch Vorteil sein. Zu schnelle Änderungen und vielleicht sogar Kehrtwenden könnten in der globalen Institution zu großer Unruhe führen. Dafür sind alleine die kulturellen und ethischen Unterschiede der Völker zu groß.
Und so bleibt dem Papst, selbst wenn er zu großen Änderungen bereit wäre, doch wieder nur der Weg als Person zu glänzen und vielleicht durch Offenheit und kleine Gesten und Worte die Welt zum umdenken zu bringen so das sich dann auch die Kirche anpassen könnte. Aber noch ist die Welt nicht bereit dafür.
Dass ein Papst einem seiner Vorgänger nicht widersprechen kann, weil die Unantastbarkeit des Papstes damit ad absurdum geführt werden würde, ist ein interessanter und plausibler Gedanke.
Allerdings stimmt er so nicht ganz. Entscheidungen eines Papstes könnten dann nur auf früheren Entscheidungen anderer Päpste aufbauen. Damit sind wirkliche Änderungen quasi ausgeschlossen. Nun muss man der Kirche aber zugestehen, dass es die ein oder anderen Veränderungen gab – ob sie immer in die richtige Richtung gingen, sei mal dahingestellt.
Im Mittelalter fanden in der katholischen Kirche einige Reformen statt. So wurde zum Beispiel der Zölibat verändert. Bis dahin durften Geistliche eine Frau und Kinder haben. Neben der Enthaltsamkeit wurde auch die Ehelosigkeit verpflichtend und ein Verstoß unter Strafe gestellt. Haben die unfehlbaren Päpste zuvor so eine “Sünde” einfach gelten lassen?
Nein, denn der Papst gilt erst seit dem ersten vatikanischen Konzil 1869/1870 als unfehlbar – und das auch nur bei endgültigen Entscheidungen in Glaubens- und Sittenlehren.
Was eine endgültige Entscheidung ist…naja…das ist schon wieder so eine Sache. Es kommt ganz darauf an, wie klar und deutlich ein Papst eine Verordnung als endgültig kennzeichnet. Sicherlich gibt es dazu noch ein weitergehendes Regelwerk. Aber es zeigt sich bis hier schon mal, dass sich Päpste durchaus widersprechen können.
Johannes Paul II. sagte z.B. “Ein Papst tritt nicht zurück, er ist für immer von Gott berufen.” Benedikt trat zurück!
Was die Stabilität angeht, gebe ich dir recht. Die Menschen sehen sich auch heute noch nach klaren Strukturen, nach denen sie sich richten können. Doch so sehr sich die Stabilität der katholischen Kirche auch loben lässt, darf man sich nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass sie für die Lebenswirklichkeit der (westlichen) Gesellschaft ein bisschen zu stabil ist. Eigentlich trifft es “versteinert” besser. Das darf man nicht verwechseln.
Auch sollte man nicht außer Acht lassen, zu welchem Preis hier für Stabilität gesorgt wird. Eine Doppelmoral, die mittels Erpressung aufrecht erhalten wird (siehe: “Der heilige Schein” von David Berger), die Abweisung vergewaltigter Frauen, Mitverantwortlichkeit am Tod von Millionen (weil Verhütung verboten wird) – mir ist der Preis ehrlich gesagt zu hoch. Und ich habe nur aktuelle Missstände angesprochen. Die Verbrechen des Christentums in den letzten Jahrhunderten nehme ich schon gar nicht mehr dazu.
Und ob es wirklich die Welt ist, die für eine Anpassung der Kirche nicht bereit ist, wage ich auch mal zu bezweifeln.