Der Putschversuch in der Türkei ging am Wochenende nach hinten los. Statt Präsident Erdoğan und seine Partei zu entmachten, ging sie gestärkt aus der Revolte hervor. Damit hat der Teil des Militärs, der für den versuchten Putsch verantwortlich ist, das Gegenteil von dem erreicht, was es eigentlich erreichen wollte. Laut Aussagen des Militärs ging es darum, die verfassungsmäßige Ordnung, die Demokratie, die Menschenrechte und die Freiheiten in der Türkei zu gewährleisten bzw. wiederherzustellen. Tatsächlich nutzt der gestärkte Erdoğan nun die Chance, um das Militär und die Gerichte des Landes zu säubern. Hinter dieser Säuberung verbirgt sich nichts Geringeres als die Entmachtung und teils schwere Bestrafung der Putschisten und Systemkritiker. Sogar die Todesstrafe brachte Erdoğan in diesem Zusammenhang ins Spiel. Bereits am Tag nach dem gescheiterten Putsch wurden einige Putschisten öffentlich gedemütigt und gelyncht.[1]
Menschrechte, Demokratie und Freiheit sind in der Türkei nach dem Putschversuch also in einem noch schlechteren Zustand als vorher. Es ist wichtig, dass Menschenrechtsorganisationen und Regierungen in diesen Tagen einen scharfen Blick auf die Türkei werfen und die Vorgänge dort genau beobachten. Zwar ist die Türkei ein wichtiger Partner der EU – nicht zuletzt wegen des Flüchtlingsdeals. Allerdings gebieten es unsere eigenen Wertevorstellungen, nicht jeden blind als Partner zu akzeptieren, weil er uns nützlich ist. Die EU ist an einem kritischen Punkt in ihrer jungen Geschichte angelangt. Nach der Entscheidung für den Brexit und den jüngsten Krisen droht der EU eine ernste Bewährungsprobe. Die Ereignisse in der Türkei sind eine gute Gelegenheit, um aus Fehlern zu lernen und eine klare Haltung für die europäischen Werte einzunehmen. Zu dieser Haltung gehört es, nicht mit Regierungen zusammenzuarbeiten, die die Menschenrechte brechen und in Form eines Polizeistaates über ihr Volk herrschen. Die Türkei ist momentan auf dem besten Weg zu einem solchen Staat. Die Konsequenz muss daher sein, einem EU-Beitritt der Türkei eine klare Absage zu erteilen und endlich die Verantwortung in der Flüchtlingskrise zu übernehmen. Andernfalls verliert die EU weiter an Glaubwürdigkeit, was schlimmstenfalls zu weiteren Zerfallserscheinungen führen kann.
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[1] http://www.tagesschau.de/ausland/tuerkei-reaktionen-109.html [Abgerufen am 17.07.16]