Nach dem Abitur steht eine der wichtigsten Entscheidungen im Leben an: Ausbildung oder Studium? Danach folgt die nicht minder wichtige Anschlussfrage: welche Ausbildung/welches Studium soll es denn werden? Die Beantwortung dieser beiden Fragen prägt die nächsten Jahre unseres Lebens massiv. Heutzutage muss man zwar flexibler sein als früher, sodass man vermutlich nicht mehr 40 Jahre im gleichen Job bleibt, bis man in Rente geht. Dennoch ist die berufliche Richtung für mehrere Jahre vorgegeben, sobald man sich entschieden hat. Entsprechend wichtig ist es, genau abzuwägen, wofür man sich entscheidet.
Ein wichtiges Argument ist sicherlich die Aussicht auf Karriere. Es macht natürlich Sinn, einen Ausbildungsberuf oder ein Studium zu wählen, das sichere und zukunftsfähige Arbeitsplätze bietet inklusive einem soliden Einkommen. Auch die Möglichkeit aufzusteigen sollte bei der Berufswahl oder der Wahl des Studiums nicht unberücksichtigt bleiben. Wer später eine Familie gründen möchte, muss schließlich nicht nur sich selbst versorgen können.
Doch ein mindestens ebenso wichtiges Argument, das bei der Entscheidung berücksichtigt werden sollte, ist die Frage nach den eigenen Fähigkeiten und Wünschen. Man sollte sich bewusstmachen, dass man über Jahre hinweg den Beruf, für den man sich entschieden hat, ausüben wird. Macht man dies nur wegen des Geldes, ohne Freude daran zu haben oder sonderlich talentiert darin zu sein, ist ein unglückliches Leben geradezu vorprogrammiert. Tag für Tag quält man sich dann zur Arbeit, kämpft mit der Unlust und hat kaum Erfolgserlebnisse, weil einem die Arbeit gar nicht liegt. Die Lebensqualität wird massiv beeinträchtigt, was ggf. sogar in eine ausgewachsene Depression führen kann. Ob Kosten (tägliches Leid und Unzufriedenheit) und Nutzen (sicherer Arbeitsplatz mit gutem Gehalt) wirklich in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen, darf bei solchen Lebensaussichten zumindest bezweifelt werden.
Richtig ist, dass nur die Wenigsten ihren Traumberuf finden und über Jahrzehnte hinweg komplett glücklich damit ist. Ganz ohne Kompromisse und einen praktikablen Mittelweg wird man seine Entscheidung also wahrscheinlich nicht treffen können. Das Kriterium, die eigenen Wünsche und Fähigkeiten bei der Wahl der Ausbildung oder des Studiengangs zu berücksichtigen, wird allerdings noch immer stark unterschätzt. Dabei verdient es viel mehr Beachtung. Was nützt einem ein gutes Einkommen, wenn man ein unzufriedenes Leben hat? Sollte man durch Schulpraktika noch nicht herausgefunden haben, was Spaß macht und den eigenen Fähigkeiten entgegenkommt, ist es daher klug, sich Zeit zu „kaufen“. Dies kann durch ein freiwilliges soziales Jahr, ein Jahr mit mehreren Praktika oder auch ein Studium geschehen. Viele Jugendliche brechen ein Studium ab oder wechseln das Fach, weil sie im Laufe der Zeit herausfinden, woran sie wirklich Spaß und Interesse haben. Diese Zeit sollte man daher nicht unbedingt als verschwendet betrachten, sondern als wichtige Etappe in Richtung Selbstfindung und einen Beruf, der glücklich macht.