Wer mir nicht passt, wird diskriminiert

Eine intolerante Minderheit

Es ist ein erschreckender Trend, der sich in den letzten Wochen und Monaten beobachten lässt. Ein Trend, der von Feigheit, fehlender Objektivität und der Unfähigkeit, zu argumentieren, zeugt. Die Rede ist von einer Sache, die uns eigentlich schon spätestens seit unserer Schulzeit aberzogen sein müsste: die Unfähigkeit, abweichende Ansichten zu tolerieren.

Es ist egal, ob man die Petition gegen Markus Lanz heranzieht, oder die Petition gegen einen „Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens“ anführt. In beiden Fällen haben die Unterstützer dieser Petitionen etwas ganz Grundlegendes nicht verstanden: ihre persönliche Meinung besitzt keine Allgemeingültigkeit. Es gibt daher keinen legitimen Grund, Markus Lanz für eine besonders schlechte Ausgabe seiner Sendung aus dem ZDF zu verbannen und es gibt auch keinen legitimen Grund, Kindern das Wissen darüber vorzuenthalten, dass es sexuelle Vielfalt gibt.

Damit könnte nun alles gesagt sein. Doch stelle ich in letzter Zeit fest, dass derselbe Fehler nicht nur von Leuten begangen wird, die eine Minderheit zum Schweigen bringen wollen. Eine Minderheit selbst erdreistet sich momentan, bestimmten Menschen das Recht auf freie Meinungsäußerung abzusprechen – nämlich Schwule und Lesben.

In der Sendung „Menschen bei Maischberger“ wurde vor einigen Tagen über die oben erwähnte Petition gegen Aufklärung über sexuelle Vielfalt diskutiert. Eingeladen waren u.a. Hartmut Steeb, Generalsekretär der evangelikalen Deutschen Evangelischen Allianz und die Autorin Birgit Kelle. Beide vertreten konservative Werte und damit eine ablehnende Position gegenüber Homosexualität. Im Vorfeld der Sendung kritisierten viele Schwule und Lesben, dass Steeb und Kelle in die Sendung eingeladen wurden. Solchen Homo-Hassern dürfe man kein Forum bieten.

Ein weiteres Beispiel sind Reaktionen auf einen Kommentar des Journalisten Matthias Matussek von „Die Welt“. In diesem Kommentar kritisierte Matussek, dass man mittlerweile schon als homophob gelte, wenn man nicht alles in Bezug auf Homosexualität und den Umgang damit klasse finde. Provokant zitierte er die Philosophen Aristoteles und Spaemann, die homosexuelle Liebe als defizitär (da aus ihr keine Fortpflanzung hervorgehe), Homosexualität an sich als Defekt und gleichgeschlechtliche Eltern als nicht förderlich für die Kindesentwicklung bezeichneten. Matussek erntete dafür Beleidigungen und musste sich gefallen lassen, dass man auch ihm das Recht auf freie Meinungsäußerung absprechen wollte. Als Rechtfertigung für dieses Verhalten, führte man ins Feld, dass Matussek – genauso wie Steeb und Kelle – diskriminieren und Hetze gegen Schwule und Lesben betreiben würden.

Doch tatsächlich offenbart sich hier ein Abgrund ganz anderer Natur. Die persönliche Meinung von diesen Menschen wird von Schwulen und Lesben missachtet, weil sie ihnen kritisch und mit Vorbehalten gegenüberstehen. Anstatt die schlechten Argumente von Matussek, Steeb und Kelle mit vernünftigen Argumenten zu widerlegen, spielen sich Schwule und Lesben als die diskriminierten Opfer auf, um ihren Kritikern dann grundlegende Freiheitsrechte absprechen zu können.

Dabei wird in der Argumentation ein Kategorienfehler begangen, denn aus der persönlichen Meinung, dass Homosexualität ein Defizit und nicht gleichwertig sei, folgt noch lange nicht, dass Homosexuelle auch normativ zu verurteilen und in ihren Rechten zu benachteiligen sind. Der Schluss von Sein auf Sollen ist ein Fehlschluss und argumentativ nicht zulässig. Und das unterscheidet Menschen mit einer Homo-kritischen Einstellung (wenn auch einer unplausiblen) von Menschen, die tatsächlich diskriminieren.

Menschen, die wirklich diskriminieren, begehen diesen Fehlschluss. Wozu das im schlimmsten Fall führen kann, haben die Ereignisse im Dritten Reich gezeigt. Doch lediglich seine Meinung zu vertreten, ohne normative Folgen zu formulieren, ist KEINE Diskriminierung. Weder Matussek, noch die anderen genannten Personen haben meines Wissens nach gefordert, dass Homosexualität geächtet und verfolgt werden soll.

Vielmehr sind es die Schwulen und Lesben, die diskriminieren!

Man kann Matussek insofern Nachlässigkeit vorwerfen, weil er nicht betont hat, dass seine Meinung nicht zwangsläufig impliziert, dass Schwule und Lesben weniger Rechte verdient haben. Er riskiert diese Lesart und nimmt in Kauf, dass andere Leute sich auf ihn berufen und dann tatsächlich Hetze und Diskriminierung formulieren.
Ob er das gewollt hat oder nicht – beim besten Willen: das weiß nur er selbst. Und deshalb sollten wir vorsichtig damit sein, ihm mal vorsorglich ein grundlegendes Recht wie die freie Meinungsäußerung abzusprechen. Zumal wir problemlos in der Lage sein sollten, seine Position mit vernünftigen Argumenten zu entkräften.

Aus dem Alter, in dem wir anderen den Mund zuhalten, weil uns deren Aussagen nicht passen, sollten wir heraus sein.

Zum Kommentar von Matthias Matussek: hier klicken

Reaktionen von LGBTs auf Matusseks Kommentar: hier klicken

queer.de über “Menschen bei Maischberger”: hier klicken

4 thoughts on “Wer mir nicht passt, wird diskriminiert”

  1. Prinzipiell hast Du vollkommen Recht. Auf Diskriminierung mit Diskriminierung ist weder klug noch förderlich.

    Allerdings gibt es ein wunderbares Sprichwort : “Wie es in den Wald schallt, so schallt es auch wieder heraus”.

    Herr Matussek soll sich also mal nicht so aufregen. Was erwartet Herr Matussek denn wenn er vorher die homosexuelle Liebe als “defizitär”, also mit anderen Worten als minderwertig, bezeichnet. Und diese Aussage ist so noch nicht mal zu 100% richtig … es gibt nämlich auch zahlreiche heterosexuelle Liebespaare welche sich nicht fortpflanzen und deren Liebe damit genauso “defizitär” wäre. Seine Einschränkung auf eine sexuelle Präferenz entspricht also nicht der Realität.

    Er kann diese seine Meinung gerne äußern .. aber wenn er diese dann auch als Argument zur Diskriminierung einsetzt (z.b. das Kindern in Schulen die sexuelle Vielfalt vorenthalten werden soll) dann muss er sich nicht wundern wenn Betroffene ihn dann ebenso angehen wie er sie.

    1. Natürlich muss sich Herr Matussek nicht über die Reaktionen wundern. Sie sind menschlich. Nur wie du selbst erkannt hast, ist es nicht klug und förderlich – ich sage sogar: gefährlich – mit Diskriminierung auf Diskriminierung zu reagieren.
      Man könnte meinen, dass Schwule und Lesben noch besser die Folgen von Diskriminierung kennen und verstehen würden aufgrund ihrer eigenen Situation – früher bei uns und noch heute in vielen Teilen der Erde. Dass sie sich selbst dieses Mittels bedienen, ist daher nur umso törichter.

  2. Lustig xD Die von vielen Menschen geäußerte Forderung Lanz abzusetzen, die über eine Petition ausdruck findet, die Kritik bestimmten Leuten ein Forum zu bieten – all das Kritisierst Du. Obwohl all diese Dinge unter genau das gleiche Recht fallen das Du mit Deinem Post hier in Anspruch nimmst: Das Recht auf freie Meinungsäußerung.

    Finden wir (Deiner Logik folgend) jetzt auch Demonstrationen scheiße in Zukunft, weil Menschen damit etwas abstellen oder verändern wollen?

    Oder ist es nicht einfach legitim das Menschen eben bestimmte Dinge so oder so sehen, und dieses auch auf vielfältigen Wegen vertreten oder zum Ausdruck bringen?

    1. Kritik und Demonstrationen sind ausdrücklich erwünscht.
      Nur passiert genau das eben nicht. Ich bin froh, dass Schwule und Lesben die Aussagen von Herrn Matussek, Herrn Steeb und Frau Kelle kritisieren.
      Es gibt aber eine nicht zu unterschätzende Zahl von Schwulen und Lesben, die keine Kritik übt, sondern andere beleidigt und ihnen den Mund verbieten will. Und DAS kritisiere ich.

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