Eine mögliche Zukunft der Kirche
Vor einigen Tagen konnten wir von Papst Franziskus ganz interessante Statements hören. Statements, die man von der katholischen Kirche nicht kennt und vom zurückgetretenen Papst Benedikt XVI. erst recht nicht erwarten konnte. Über die Rolle der Frau und seine Meinung zu Homosexualität schlug Papst Franziskus Töne an, die für die Kirche fast schon liberal klingen. So erkennt Franziskus an, dass Frauen auch dort von großer Bedeutung für die Kirche seien, „wo wichtige Entscheidungen getroffen werden.“ Auch Homosexuelle verurteilt er nicht auf Grund ihrer sexuellen Orientierung. Wenn eine homosexuelle Person einen guten Willen habe und Gott suche, sei er keiner, der sie verurteile, so Franziskus.
Generell predigt der neue Papst – und das kann man als bisheriges Resümee aus seiner bisherigen Amtszeit ziehen – von Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Dies seien Grundwerte der Kirche, von denen sie abgerückt sei und zu denen zurückgefunden werden müsse, denn „die Diener der Kirche müssen barmherzig sein, sich der Menschen annehmen, sie begleiten […]“. Dabei ist dem Papst durchaus bewusst, dass dies zunächst nur Worte sind, auf die Taten folgen müssen. Doch bevor wegweisende Reformen in der katholischen Kirche in Angriff genommen und umgesetzt werden können, sieht sich Franziskus vor eine ganz andere Aufgabe gestellt: „Die erste Reform muss die der Einstellung sein“.
©Dieter Schüetz/pixelio.deTatsächlich lassen sich Reformen, die theologischer und damit auch moralischer Natur sind, nur bewältigen, wenn man sich intensiv mit deren Bedeutung und Auswirkungen auseinandersetzt und daraufhin eine neue Einstellung entwickelt. Viele Werte der katholischen Kirche basieren auf Weltanschauungen, die das menschliche Miteinander regeln und beeinflussen sollen. Einige davon werden zu Recht als überholt und diskriminierend von den Menschen in Frage gestellt. Bei anderen moralischen Geboten ist eine Prüfung notwendig, ob sie noch einen sinnvollen Bestand in unserer heutigen Welt haben, oder nicht. Dabei müssen kulturübergreifende Aspekte berücksichtigt, sowie eine theologische Stringenz gewahrt werden.
Wie ich schon in diesem Artikel schrieb, wird das viel Zeit kosten – mehr Zeit, als viele Menschen in der heutigen schnelllebigen Welt bereit sind, der Kirche zuzugestehen. Wie sich im Nachhinein herausgestellt hat, teilt Franziskus meine Ansicht, wenn er sagt: „Viele meinen zum Beispiel, dass Veränderungen und Reformen kurzfristig erfolgen können. Ich glaube, dass man immer genügend Zeit braucht, um die Grundlagen für eine echte, wirksame Veränderung zu legen.“
In Hinblick auf Franziskus´ Verhalten und Bescheidenheit scheint mir dies keine bloße Ausrede zu sein, die rechtfertigen soll, dass es in den nächsten Jahrzehnten faktisch zu keinem spürbaren Umbruch kommen wird. Die Kirche als Ganze mit all ihren Anhängern muss glaubwürdig bleiben und will Platz für alle Menschen bieten. Mit einer Abkehr vom konservativen Lager und einer Hinwendung zu liberalen Werten in kurzer Zeit würde sie die Konservativen verlieren und für die Anderen unglaubwürdig wirken – sie wäre es auch.
Deshalb wird die Kirche nicht umhin kommen, sich die lange Zeit nehmen zu müssen, wenn sie wirklich den Weg in die Moderne zu Ende gehen möchte. Papst Franziskus hat erfreulicherweise die ersten kleinen Schritte in diese Richtung unternommen. Hoffentlich folgen ihm weitere – auch von nachfolgenden Päpsten.