Unser Gehirn ist faul

Menschen machen Fehler
Wenn ich von außen auf die Verhaltensweisen einer Person blicke, dann vermag ich zu erkennen, welche davon Fehlentscheidungen sind. Wenn ich die Person kenne und ihre Denkweise hinreichend verstehe, dann kann ich oft sogar die nachweislich korrekte Begründung für das Handeln der Person angeben. Falls ich besonders geübt und einfühlsam bin, dann bin ich sogar in der Lage, auf eine Weise mit der Person zu reden, dass diese ihre Fehler einsieht und zukünftig anders handelt.
Ganz anders ist es jedoch, wenn ich selbst auf Grund der Fehler, die die Person begangen hat, emotional befangen bin – sei es direkt, oder indirekt, weil z.B. Freunde unter den Fehlern der Person leiden müssen. Dann ergreife ich in dem Glauben, alle relevanten Fakten zu kennen, Partei. Und wenn ich mir im Nachhinein von der Person, die fehlerhaft handelte, ihre Beweggründe erklären lasse, stelle ich mit Erschrecken fest, dass ich ihre Gründe sogar nachvollziehen kann. Ja gar Verständnis bringe ich bis zu einem gewissen Grad auf.
Es ist nervig: ich gebe mir wirklich Mühe (zumindest glaube ich das), alle mir bekannten Informationen zu einem Gesamtbild zu ordnen und mittels sicherer Erfahrungswerte zu erweitern. Ich lasse mir dabei Zeit, um keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Doch letztlich schleichen sich plausible Vorurteile in meine Analyse ein, die zwar wie gesagt plausibel sind – aber sich letztlich doch teilweise als falsch erweisen.
Es ist schon verrückt, wie sehr uns Emotionen in unserem klaren Denken behindern.
Wie Daniel Kahneman (Thinking, fast and slow) erkannt hat, ist unser Gehirn faul, d.h. wir müssen uns ständig anstrengen, um aus vorliegenden und eventuell fehlenden Informationen einen gültigen Schluss zu ziehen.

Emotionen machen diese Arbeit noch schwieriger. Wer auf diesem Gebiet nicht gerade hochbegabt ist, wird wohl sein Leben lang entsprechende Fehler begehen. Wenn man sich das oft genug bewusst machen würde, würde man sich die ein oder andere Verurteilung verkneifen. Doch stattdessen prangern wir die Fehler, die jemand begangen hat/begeht, an und versäumen es, sie korrekt zu interpretieren.
Die Fehler der Person bleiben natürlich Fehler und je nach Art der Fehler bleiben sie möglicherweise auch unverzeihlich. Doch wer ohne emotionale Befangenheit die Fehler der Person und deren Gründe erkennen würde, weil er die Person kennt und deren Denkweise hinreichend versteht, könnte möglicherweise am Ende zu dem Schluss kommen, dass er selbst Schuld daran ist, Opfer der Fehler der Person geworden zu sein.
Wer weiß, dass jemand ungeschickt ist, lässt ihn nichts Zerbrechliches tragen. Wer weiß, dass jemand seinen Mund nicht halten kann, vertraut ihm kein Geheimnis an. Wer weiß, dass jemand kurzsichtig denkt, dem gibt man keine Mittel für Langfristiges.
Doch wer überhaupt diese Erkenntnis erlangt, der sitzt meistens bereits in dem Scherbenhaufen seiner späten Einsicht.
Den Dummen sei verziehen, denn sie können nichts für unsere Ignoranz!

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