Frei-BILD für alle

Irrationaler Protest
Am vergangenen Samstag erhielt jeder Haushalt eine kostenlose Sonderausgabe der BILD, anlässlich ihres 60. Geburtstags. Mit einer Auflage von 41 Millionen Exemplaren stellte der Axel Springer Verlag damit einen Rekord auf, denn so eine hohe Auflage hatte eine Zeitung in Deutschland noch nie. Die BILD ist zwar offiziell keine Zeitung, aber Sie wissen schon, was ich meine.
In der Sonderausgabe befinden sich u.a. ein Interview mit Altkanzler Schröder, BVB-Trainer Klopp und eine große Portion Selbstbeweihräucherung. Wenn der BILD schon sonst niemand auf die Schulter klopft, dann tut sie das eben in einem Anflug von Größenwahn selbst. Doch selbst Kritiker müssen gestehen, dass diese Imagekampagne durchaus beeindruckend war.
Doch eine kleine Korrektur muss ich nun doch vornehmen: nicht jeder Haushalt bekam eine kostenlose BILD. Ein verschwindend geringer Prozentsatz der deutschen Bundesbürger legte im Voraus Einspruch gegen den Erhalt der Boulevard-Zeitung ein und erhielt stattdessen einen roten Brief vom Axel Springer Verlag. Wenn Sie diesen Text lesen und so einen Umschlag erhalten haben, schreiben Sie doch bitte als Kommentar, was in diesem Brief steht. Ich bin neugierig.

©http://derfreidenker.wordpress.com

Doch ich frage mich, warum überhaupt einige Menschen gegen den Erhalt der BILD protestiert haben. Was für einen Sinn hat dieser Protest?
Da werden als Argument die vielen fragwürdigen Inhalte und Vorgehensweisen der BILD-Redaktion  genannt. Ich denke, es ist nicht notwendig, hier im Detail auszubreiten, inwieweit die BILD populistisch, manipulativ und einseitig berichtet. Es reicht schon, einen Blick auf die Titelseite einer beliebigen Ausgabe zu werfen, um zu erkennen, dass es eine Tatsache ist. Die Tugenden von gutem Journalismus sind in weiten Teilen das Gegenteil von dem, was die BILD abliefert. Wer also die Annahme der kostenlosen BILD verweigerte, protestierte damit also gegen diese Form von Journalismus.
Aber seien Sie doch mal ehrlich: Diese Form von Protest ist mindestens genau so emotional und überflüssig, wie die aufreißerischen Überschriften der BILD. Denn Ihr Protest wird nichts ändern. Solange weiterhin rund 3,5 Millionen Menschen täglich eine BILD kaufen und zufrieden sind, wird sich am Stil des Blattes nichts ändern. Es ist völlig hinreichend, wenn Sie die kostenlose Ausgabe ignorieren, weiterhin keine BILD kaufen und somit keine Einnahmequelle für die BILD sind. Denn letztlich ist genau dies das Ziel der Kampagne: neue Kunden gewinnen und bisherige Kunden halten.

Mit Ihrer Verweigerung der kostenlosen BILD-Sonderausgabe haben Sie die BILD hingegen unterstützt. Denn wie das Blatt in der Vergangenheit mehrfach eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat, kann die BILD jede Form der Aufmerksamkeit – positive wie auch negative – für sich nutzen. Man denke da beispielsweise an den Brief von Judith Holofernes (Wir sind Helden) für die „Ihre Meinung zu BILD?“-Kampagne. Holofernes´ Brief fiel alles andere als wohlwollend aus – wurde aber als Werbeanzeige seitens der BILD in der taz abgedruckt und sorgte dafür, dass BILD sich damit schmücken konnte, Wert auf Meinungsfreiheit zu legen.
Ich selbst habe das BILD-Geschenk in Ruhe gelesen, es anschließend zum Einwickeln von Biomüll verwendet und mich darüber gefreut, dass die BILD trotzdem auch in Zukunft keinen Cent an mir verdienen wird. Schaden kann man der BILD nur, wenn man sie ignoriert und nicht kauft. Alles andere spielt ihr in die Hände. Just my two cents.

Ein älterer Artikel von mir über die BILD: Bild dir deine Meinung

4 thoughts on “Frei-BILD für alle”

  1. Ich finde den Protest voll korrekt, schließlich muss man zumindest ein Statement setzen. Wenn man alles über sich ergehen lassen müsste, weil man sagt, dass man ja eh nix ändern kann, brauch man auch nicht zur Wahl gehen und seine Stimme einer kleinen Partei geben. Ich finde deine Meinung da ziemlich harsch.

    Ich selbst habe mich nicht gemeldet und das Drecksblatt vom Briefkasten zum Altpapier gegeben. Dieser kurze Weg sorgte allerdings schon dafür, dass meine Finger voller Druckerschwärze waren. Ich weiß nicht, welche Art Papier und Tinte die Bild normalerweise verwendet und ob das vielleicht normal so ist, da ich sie eben nicht lese, aber ich denke mal, dass die auf billigeres Material für die Gratisausgaben zurückgegriffen haben.

  2. Lieber Dance Man,

    der ASV schreibt, dass er dem Widerspruch ensprochen habe und die Adressdaten anschließend löschen werde, sofern Sie nicht aufgrund eines anderen Abos beim ASV bekannt sind. Sofern die Daten unzutreffend, also kein Widerspruch eingereicht worden sei, solle man sich an den Verlag wenden, um sein Exemplar doch zu erhalten.

    Deine Argumentation kann ich so nicht teilen. Mit dem Widerspruch habe ich verhindert, ein Druckerzeugnis im Kasten zu haben, was mich ärgert und als Altpapier rumliegt – und womöglich doch noch mit seiner Werbung wirkt. Man könnte ja neugierig sein, wer die vier Millionen Euro für eine Werbeseite bezahlt hat.

    Der arme Bio-Müll.

    Mit diesem Artikel hast du der Bild meiner Ansicht nach Aufmerksamkeit zuteil werden lassen, die sie nicht verdient hat. Ignoriert hast du sie jedenfalls nicht.

    Warum eigentlich?

  3. Vielen Dank für die Information über den Inhalt des roten Briefes! 🙂

    Durch die Berichterstattung über den möglichen Einspruch gegen den Erhalt der kostenlosen BILD und dessen faktischer Inanspruchnahme seitens einiger Bürger hat die BILD unnötige Aufmerksamkeit erhalten, die sie für sich nutzen kann. Ich frage mich, was die Motive derer sind, die hinter der BILD stecken und frage mich, wie ich denen einen Strich durch die Rechnung machen kann.
    Zunächst bin ich der Ansicht, dass es der BILD egal ist, dass ein Bruchteil der Bevölkerung Protest gegen den Erhalt der Sonderausgabe eingelegt hat. Es ist klar, dass die BILD polarisiert und dieser Protest ist einkalkuliert (z.B. in Bezug auf das Werbung-Argument). Ergo verhallt der Protest, ohne eine Veränderung zu erzielen und ist daher überflüssig.
    Ferner vermute ich (klar – ich kann mich irren), dass die Aktion das Ziel hat – wie ich im Artikel schrieb – neue potentielle Kunden anzuwerben und bisherige Kunden an sich zu binden. Kaufe ich also auch zukünftig keine BILD – trotz dieser Kampagne – verfehlt ebendiese ihr Ziel. BILD hat nicht das von mir bekommen, was sie sich erhofft hat.
    Mein Nicht-Kaufen der BILD und damit mein Beitrag dazu, dass die Kampagne zu nichts geführt hat, IST mein Protest und auf höherer Stufe keine Ignoranz in dem Sinne. Insofern funktioniert übrigens der Vergleich mit der Wahl nicht ganz, denn das Nichtwählen wäre zwar zunächst ein Protest, aber eben auf höherer Stufe nichts anderes als Ignoranz – und die ist natürlich das Dümmste, das man in einem demokratischen Staat tun kann.

    Und warum ich einen Artikel darüber schreibe und die BILD damit zum Thema mache? – Zugegeben: ich musste einen Moment darüber nachdenken.^^
    Ich rede mich da jetzt mal raus, indem ich sage: mit der Darlegung meiner Position mache ich auf die Ziele der Kampagne aufmerksam und bringe vielleicht den ein oder anderen Leser dazu, nicht auf ihn hereinzufallen.^^
    Aber ich gestehe dir den Punkt zu: wenn ich wirklich ganz konsequent sein will, war es ein Fehler diesen Artikel zu schreiben.

  4. Lieber DanceMan,

    Ich habe den Wiederspruch der Zustellung aus vielen sehr komplexen und auch einfachen Gründen eingereicht. Gründe gegen die BILD Zeitung brauche ich gar nicht zu nennen, das hat Günther Walraff seinerzeit schon getan 😉

    Nicht zuletzt ist es aber die die anfängliche Vermutung das diese Aktion beinahe nicht hätte stattfinden können. Ein Rechenexempel das aber leider Aufgegangen ist. Man bedenke die Einnahmen der BILD durch diese Aktion, Substrahiert durch den Aufwand und ggf. Strafzahlungen der Wiedersprüche ist natürlich weiterhin eine dicke schwarze Zahl dabei rausgekommen. Leider.

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