Blickt man am Ende eines Jahres auf die vergangenen zwölf Monate zurück, fallen einem oftmals nur die negativen Ereignisse ein. Löst man sich ganz bewusst von dieser Sichtweise, stellt man fest, dass das Jahr doch nicht so dramatisch war, wie man dachte. Viele Probleme bauscht man künstlich auf oder bezieht sie auf das eigene Leben, obwohl sie damit gar nicht so viel zu tun haben. 2016 ist nicht so ein Jahr. Die Krisen des Jahres haben mit unserem Alltag deutlich mehr zu tun als die Krisen in den vergangenen Jahren. Die Auswirkungen spüren wir teilweise direkt. In Teilen werden die Krisen in die nächsten Jahre nachwirken.
Das Oberthema des Jahres war sicherlich die Flüchtlingskrise. Zwar kamen weniger Flüchtlinge zu uns als noch in 2015, doch nun müssen wir eine Lösung für all diese Flüchtlinge finden. Wie integriert man sie in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt? Kann besonders Ersteres überhaupt in ausreichendem Maße gelingen? Wie können wir illegale Einwanderer wieder zurück in ihre Heimatländer schicken, ohne dabei moralische Zweifel zu bekommen? Aus all diesen Fragen ergeben sich weitere Fragen und Krisen. Der Aufstieg rechter Parteien in ganz Europa ist ein Folgeproblem der Flüchtlingskrise. Er resultiert aus dem Bedürfnis, den Diskurs über fremde Kulturen in Deutschland mitgestalten zu wollen, ohne dabei von vornherein mundtot gemacht zu werden. Es gibt nicht nur eine einzige bequeme Meinung zum Umgang mit Flüchtlingen. Es gibt auch Meinungen, die unbequem sind, unsere Moralvorstellungen kritisieren, den Finger in die Wunde legen und teilweise auch radikal sind. Unser Umgang mit diesen verschiedenen Meinungen ist ein Indikator für die Gesundheit unserer Demokratie. Unser Umgang mit anderen Meinungen war 2016 von Intoleranz und (verbaler) Gewalt geprägt.
Auf der einen Seite spazierte Pegida mit Hassparolen und antidemokratischen Forderungen. Auf der anderen Seite missbrauchten Gegenbewegungen Pegida als Argument dafür, einen differenzierten und kritischen Diskurs über den Umgang mit Flüchtlingen zu unterbinden. Gemäßigte Meinungen gab es auch. Sie sahen unsere humanitäre Pflicht zu helfen, ohne zu übersehen, dass unter den Flüchtlingen auch Terroristen sind oder schlichtweg Nutznießer unseres Sozialstaatprinzips, gegen die etwas unternommen werden muss. Doch diese gemäßigten Meinungen konnten sich 2016 kein Gehör verschaffen, weil die linken und rechten Ränder zu laut und aggressiv waren. Entsprechend war 2016 zwar ein hoch politisches Jahr. Konstruktive Lösungen für die Krise konnten bei all dem Populismus von links und rechts jedoch nicht erarbeitet werden.
Vielmehr rutschten wir von einer Krise in die nächste. Islamistische Anschläge in Frankreich, Belgien und bei uns in Deutschland, der geplante Brexit, der Putschversuch in der Türkei und die Wahl Trumps zum Präsidenten der Vereinigten Staaten hielten uns in Atem. All diese Ereignisse haben oder werden Einfluss auf unsere Gesellschaft und ihren Zusammenhalt – teilweise sogar auf unser Leben – haben.
Das Jahr 2016 war mit seinen Ereignissen ein richtungsweisendes Jahr. Noch haben wir die Möglichkeit, diese Richtung zu hinterfragen und ggf. zu korrigieren. Wichtig ist, dass wir das ernst nehmen. Andere tun das und gestalten den Kurs, den Deutschland und Europa nehmen, mit. Daran sollten wir uns beteiligen, bevor es zu spät ist.