Deutsche, die von allen Deutschen wohl am schlechtesten nach den abendländischen Werte und Tugenden leben, die sie angeblich verteidigen wollen, stürzen Deutschland momentan in Unruhe und verursachen Leid und Angst in der Gesellschaft. Schuld geben sie einer Minderheit innerhalb einer Minderheit und der Kanzlerin, die mit ihrer Politik der offenen Grenzen gegen die Interessen des Landes handle.
Eine Sache stimmt: Merkel hat mit ihrer Politik der offenen Grenzen gegen geltendes Recht verstoßen. Der hochangesehene Verfassungsrechtler und Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D. Udo di Fabio stellte in seinem Gutachten fest: „Der Bund ist aus verfassungsrechtlichen Gründen (…) verpflichtet, wirksame Kontrollen der Bundesgrenzen wieder aufzunehmen, wenn das gemeinsame europäische Grenzsicherungs- und Einwanderungssystem vorübergehend oder dauerhaft gestört ist.“[1] Und tatsächlich ist das gemeinsame Grenzsicherungs- und Einwanderungssystem gestört. Und dabei bleibt es nicht. Die europäische Union ist in den letzten zwei Jahrzehnten zu schnell gewachsen. Zu viele Länder wurden in die EU aufgenommen, obwohl sie die Normen der EU nicht vertreten wollen. Sie wollten – so scheint es – lediglich die Vorteile erhalten, die eine Mitgliedschaft mit sich bringt. Dazu zählen Hilfs- und Förderzahlungen, ein vereinfachter Handel und eine gemeinsame Währung. Doch sobald die unangenehmen Pflichten auf ein Mitgliedsland hinzukommen, verweigert es jegliche Kooperation. So geschieht es momentan bei der Frage nach der gerechten Verteilung von Flüchtlingen in der EU. Von gemeinsamen Normen, die u. a. auf der europäischen Menschenrechtskonvention und natürlich auf ausgehandelten Gesetzen beruhen, ist – wie schon im Kontext der Griechenlandkrise zu beobachten ist – nichts zu spüren.
Hier kann man sich die berechtigte Frage stellen, wie man von dem wütenden ausländerfeindlichen Mopp Gesetzestreue und moralisches Handeln verlangen kann, während man als Bundesrepublik und EU selbst die Regeln und Normen verrät, die man erst vor einigen Jahrzehnten als Basis für ein friedlich geeintes Europa ausgearbeitet hat. Abgesehen davon, dass wieder einmal die Glaubwürdigkeit der Politiker leidet, wird an das Volk die Botschaft vermittelt, dass Regeln und Normen nur Lippenbekenntnisse sind, die keinerlei Anspruch auf Gültigkeit besitzen und damit wertlos sind.
Doch es sind genau diese Normen, die unser Land und die EU zusammenhalten könnten, wenn sie nur strikter befolgt werden würden. Dazu zählt auch, dass die Nichtbefolgung von Regeln und Normen Konsequenzen nach sich ziehen muss – selbst wenn sich diese Konsequenzen zunächst auch negativ auf das eigene Land auswirken. Doch in der heutigen Zeit, in der noch innerhalb der aktuellen Legislaturperiode schnelle Erfolge erzielt werden sollen (alles zum Schutz der eigenen Karriere und der Wirtschaftsdaten), wird der langfristigen Stabilität Europas nur geringe Beachtung geschenkt. Die Destabilisierung der EU wird durch die zügige Aufnahme immer weiterer Länder mit ihren eigenen Interessen und Normen, die nicht immer mit den Grundwerten der EU zu vereinbaren sind, beschleunigt. Dass überhaupt darüber nachgedacht wird, die Türkei in die EU aufzunehmen, zeigt deutlich, für wie belanglos und unverbindlich die eigenen Normen gehalten werden. Dies soll keineswegs eine Abwertung der Türkei und ihrer durch den Islam geprägten Normen sein. Doch Fakt ist, dass sich diese Normen nicht in ausreichendem Maße miteinander vereinbaren lassen – zumindest momentan nicht. Diesem Fakt muss man Rechnung tragen und kritisch darüber nachdenken, ob dies auch auf einige osteuropäische Länder zutrifft, die vergleichsweise achtlos Mitglied der EU werden durften.
Wie die Deutschen auf Flüchtlinge und andere Migranten inklusive einer unter ihnen befindlichen kriminellen Minderheit reagieren, ist nicht nur ein Resultat der gescheiterten Integrationspolitik in der Vergangenheit, sondern auch das Resultat des Umgangs mit den eigenen Normen seitens der nationalen und europäischen Politiker.
Über die Frage, ob die individuelle Freiheit begrenzt sein muss, wenn man mit anderen Menschen in einer Stadt/einem Land zusammenlebt, spreche ich in meiner Radiosendung “Das Vieraugengespräch” am 14.02.2016 ab 12 Uhr als Podcast hier, auf iTunes, um 19:04 Uhr auf Radio 91.2 und in diesem Artikel.
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[1] http://www.bayern.de/wp-content/uploads/2016/01/Gutachten_Prof_Di_Fabio.pdf [Abgerufen am 31.01.16]