Seit Anfang des Jahres ist das Urheberrecht auf „Mein Kampf“ von Adolf Hitler ausgelaufen. Das Buch darf ab sofort wieder gedruckt werden. Von 1945 bis 2015 lag das Urheberrecht beim Freistaat Bayern, der den Neudruck der Hetzschrift verhinderte. Seit dem 08. Januar ist eine Neuauflage von „Mein Kampf“ im Handel erhältlich. Das Münchener Institut für Zeitgeschichte hat innerhalb von drei Jahren eine kommentierte Ausgabe aufbereitet. In dem knapp 2000 Seiten langen Buch erklären Historiker seinen Entstehungskontext und ordnen historische Fakten mit Hilfe moderner Forschungsergebnisse ein. Auf diese Weise werden die Behauptungen und Theorien Hitlers am Originalwerk Schritt für Schritt mit Fakten widerlegt.
Die Neuveröffentlichung der Propagandaschrift ist nicht unumstritten. Kritiker befürchten, dass Nazis und andere rechte Parteien das Buch und seinen Inhalt für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren. Auf diese Weise könne menschenverachtendes Gedankengut verbreitet und befeuert werden. Als Konsequenz werden verschiedene Buchhandlungen – darunter auch Thalia – das Buch nicht öffentlich auslegen, sondern nur auf Bestellung verkaufen.
Die kritische Edition von „Mein Kampf“ ist allerdings auch eine Chance. In jahrelanger Forschungsarbeit haben viele Historiker das Buch analysiert und in den historischen Kontext eingeordnet. Zudem wurden die Theorien Hitlers analysiert und geprüft. Auf diese Weise lässt sich mit der Neuauflage Aufklärungsarbeit leisten. Jeder Interessent kann sich das Buch für 59 € kaufen und selbst nachlesen, warum bestimmte Theorien Hitlers problematisch sind. Man wird mit der Hetzschrift, die sich unter Rechtsradikalen mit Sicherheit trotzdem in all den Jahren verbreitet hat, nicht mehr allein gelassen. Vielmehr erhält man eine wissenschaftlich fundierte Analyse, die auf Fehler in Hitlers Argumentation aufmerksam macht. Diese Analyse ist kein abstrakter Forschungsessay, sondern nimmt in allgemeinverständlicher Sprache direkten Bezug auf Hitlers Originalwerk, das mit mehr als 3.500 Anmerkungen versehen wurde. In diesen Anmerkungen werden u.a. Hintergrundinformationen zu den dargestellten Personen und Ereignissen beigefügt, Erläuterungen zentraler ideologischer Begriffe vorgenommen, Hitlers Quellen offengelegt, sowie einseitige Darstellungen und Fehler korrigiert. Beim Lesen des Originalwerks wird man also über Lügen, Halbwahrheiten und nötiges Hintergrundwissen informiert, sodass man in der Lage sein wird, Hitlers Schrift zu verstehen und kritisch zu beurteilen.
Die Neuauflage von „Mein Kampf“ des Münchener Instituts für Zeitgeschichte schafft damit ein sachliches Angebot abseits der unreflektierten Bezugsquellen der Propagandaschrift. Wer sich über Hitlers Schrift informieren möchte, wird mit der Neuauflage nicht zur Volksverhetzung verführt. Wer ein unbelehrbarer Nationalsozialist ist, wird sich diese Auflage sowieso nicht durchlesen oder ihre kritischen Anmerkungen als Lüge bezeichnen. Eine Gefahr geht von dieser Neuauflage daher nicht aus. Vielmehr bietet sie die Möglichkeit zu lernen und Hitlers Hetze als eben solche zu erkennen.
Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition, hrsg. im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte
München – Berlin von Christian Hartmann, Thomas Vordermayer, Othmar Plöckinger, Roman Töppel, München 2016.
ISBN 978-3-9814052-3-1