Sterbehilfe

Helene Souza pixelio

Wenn das Leben nicht mehr lebenswert ist
Individualismus und das Recht auf Selbstbestimmung nehmen einen immer größeren Stellenwert in unserer Gesellschaft ein. Wir wollen uns nicht mehr durch Autoritäten bevormunden lassen, sondern eigenverantwortliche Entscheidungen über unser Leben treffen. Dies betrifft besonders unsere Moralvorstellungen, die wir uns nicht von religiösen Führern, der Regierung oder Ärzten vorschreiben lassen möchten. Eine dieser Moralvorstellungen thematisiert den Umgang mit einer schweren und womöglich hoffnungslosen Krankheit. Wenn jemand sehr unter einer solchen Krankheit leidet und nicht mehr gesund wird, dann hat er möglicherweise den Wunsch, seinem Leben ein Ende zu setzen, bevor er unter seinem Leid zusammenbricht und seine Selbstständigkeit verliert, was wiederum als unwürdig empfunden werden könnte. Doch in Deutschland wird einem Menschen das Recht verwehrt, frei über die Beendigung seines Lebens zu verfügen. Man muss folgende Arten der Sterbehilfe differenzieren:

Aktive Sterbehilfe: Das bewusste und aktive Eingreifen zur Beendigung des Lebens. Dies kann z. B. die Verabreichung einer tödlichen Medikamentendosis sein. In Deutschland verboten.
Die Beihilfe zur Selbsttötung: Jemand – z. B. ein Arzt – hilft bei der Selbsttötung, indem er beispielsweise tödliche Medikamente beschafft und demjenigen überreicht, der sich umbringen möchte. In Deutschland entgegen der landläufigen Meinung nicht verboten.
Indirekte Sterbehilfe: Die unbeabsichtigte, selten unvermeidliche Nebenfolge der in Kauf genommenen Beschleunigung des Todeseintrittes durch Schmerztherapie. In Deutschland nur mit Zustimmung erlaubt.
Passive Sterbehilfe: Der Verzicht oder Abbruch einer lebensverlängernden Behandlung. In Deutschland nur mit Zustimmung erlaubt.

©NicoLeHe/pixelio.de

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Nachteil der Deutschen Rechtsprechung in diesen Fällen ist die Tatsache, dass ein Patient erst den Verlust seiner Lebensqualität in Kauf nehmen muss, damit die passive oder indirekte Sterbehilfe greift.
Die indirekte Sterbehilfe erfordert einen Zustand, in dem der Patient so weit in seiner Lebensqualität eingeschränkt ist, dass eine Schmerztherapie eine wählbare Option wird. Eine solche Schmerztherapie geht allerdings oft zu Lasten der geistigen Verfassung des Patienten. Entscheidet sich ein Patient für die passive Sterbehilfe, wird sein Leid zwar nicht durch eine Therapie künstlich in die Länge gezogen. Jedoch wird ihm die Abkürzung über die aktive Sterbehilfe verwehrt und damit die Möglichkeit, den natürlichen Leidensprozess zu vermeiden. Dies als inhuman zu bezeichnen ist dabei nicht ganz unplausibel.
Kritiker der aktiven Sterbehilfe und Beihilfe zur Selbsttötung sehen jedoch die Gefahr des Missbrauchs dieser Praktiken. Pflegebedürftige alte Leute, die leben möchten, aber den Familienangehörigen lästig werden, könnten z. B. unter Druck gesetzt werden, die aktive Sterbehilfe oder die Beihilfe zur Selbsttötung in Anspruch zu nehmen. Statt sich den pflegebedürftigen Menschen anzunehmen, könnte sich Sterbehilfe damit als schnelle und moralisch fragwürdige Beseitigung des Problems etablieren. Auch könnten Menschen zu leichtfertig von ihrem Recht auf Sterbehilfe Gebrauch machen.
Beide Einwände erscheinen aber nur bedingt plausibel. Die Gefahr des Missbrauchs der Sterbehilfe darf nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Doch es lassen sich Kontrollregelungen entwickeln, mit denen die Gefahr des Missbrauchs minimiert werden könnte. So könnten z. B. Gutachten von Ärzten und Psychologen notwendig sein, um sicherzustellen, dass es wirklich der eigene Wunsch des Patienten ist, zu sterben.

©Helene Souza/pixelio.de

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Ein leichtfertiger Umgang mit dem Recht auf Sterbehilfe ist unwahrscheinlich. Denn unser Überlebensinstinkt kann nicht so leicht überwunden werden. Wer nachweislich an einer unheilbaren schweren Krankheit leidet und den Wunsch zu sterben hat, wird diesen Wunsch nicht leichtfertig ausgebildet haben. Falls dies nicht plausibel ist, lassen sich die bereits erwähnten Kontrollregelungen auch hier anwenden. Sie können verhindern, dass jemand leichtfertig Sterbehilfe erbittet.
Es wird Zeit, dass Deutschland die Gesetze dem Wunsch der Bevölkerung nach Eigenverantwortlichkeit anpasst und die aktive Sterbehilfe unter Auflagen legalisiert. Der vermeintliche Schutz der Bevölkerung steht mit der aktuellen Rechtslage in keinem Verhältnis zur Einschränkung seiner Freiheit.

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