Wenn Journalisten ein Interview nicht verstehen
Seit gestern ist das Interview von YouTube-Star LeFloid und Bundeskanzlerin Merkel das beherrschende Thema in den sozialen Netzwerken und der Presse. Unterm Strich muss LeFloid viel Kritik für sein Interview einstecken. So wird ihm von Journalisten wie Richard Gutjahr vom BR oder anderen Medienschaffenden vorgeworfen, ein Heimspiel für die Kanzlerin zu sein. Entertainer Jan Böhmermann – selbst kein Journalist – sprach auf Twitter davon, dass LeFloid dem traditionellen Journalismus mit seinem Interview stählernes Selbstbewusstsein einflöße.
https://twitter.com/janboehm/status/620651489019559936
Und tatsächlich akzeptiert LeFLoid viele Argumente der Kanzlerin, ohne sie kritisch zu hinterfragen und nachzubohren.
Doch es ist fraglich, ob diese Kritik überhaupt angebracht ist. LeFloid setzt sich zwar auf seinem YouTube-Kanal mit politischen Themen auseinander, ist aber kein Journalist. Entsprechend fehlt ihm selbstverständlich das journalistische Handwerk, um der Kanzlerin mehr Informationen zu entlocken als die üblichen Phrasen, die man von Politikern gewohnt ist. Da LeFloid aber kein Journalist ist, ist es ziemlich naiv, ein journalistisches Interview von ihm zu erwarten. Dies war auch gar nicht das Ziel des Gesprächs.
Es ging darum, Jugendlichen Politik näher zu bringen – eine Aufgabe, an der jeder vermeintlich gute Journalist in diesem Land bisher gescheitert ist. LeFloid hat diese Aufgabe eindeutig erfüllt, indem er der Kanzlerin zum einen viele Fragen stellte, die ihm die Community geschickt hat und dieses Interview zum anderen auch von über 1 Millionen YouTube-Nutzern angeschaut wurde. Dabei durchbrach LeFloid das komplizierte Spiel mit rhetorischen und taktischen Fragen und Fallen, mit denen die ganz großen Journalisten ihre Gesprächspartner aus der Reserve zu locken versuchen. Stattdessen sprach er mit der Kanzlerin so, wie es wohl die meisten Menschen tun würden: in einer ehrlichen und einfachen Weise, die von den meisten Menschen nachvollzogen werden kann.
Und ebenso wie bei journalistischen Interviews hat der Zuschauer auch hier die Möglichkeit, Merkels Antworten zu beurteilen und sich darauf basierend eine eigene Meinung zu den angesprochenen Themen zu bilden.
Warum Journalisten LeFloids Interview kritisieren, bleibt unverständlich. Kennen sie den Unterschied zwischen einem Interview und einem journalistischen Interview nicht, oder haben sie – wie man es bei Jan Böhmermann vermuten könnte – ein so geringes Selbstwertgefühl, dass sie LeFloid bewusst für etwas kritisieren, das weder seine Aufgabe noch Absicht war?
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