Über Tabus beim Humor
Vor Kurzem saß ich mit ein paar Leuten in gemütlicher Runde. Die Stimmung war sehr heiter und ich ein wenig aufgedreht und albern. Situationsbedingt machte ich einen Witz über Obdachlose und die Stimmung schlug um. Einer aus der Runde fand diesen Witz sehr unangebracht und konnte darüber nicht lachen. Obdachlose befänden sich in einer ernsten und schwierigen Situation, über die man keine Witze machen dürfe. Ich frage mich, ob er Recht hat!?!
Obdachlose und ihre Situation finde ich nicht verachtenswert und ich kenne den Ernst ihrer Lage. Dennoch konnte ich mich über meinen bissigen Kommentar amüsieren.
Wann ist ein Witz noch witzig und wann ist er schon unangebracht und verletzend?
Ich denke, dass der Verwendungszweck dabei eine wichtige Rolle spielt. Will ich mit dem Witz meine tatsächliche Meinung unterstreichen und mit Scherzen das Opfer abwerten, oder vertrete ich tatsächlich eine gegenteilige Ansicht, was den Scherz vielleicht auch gerade deshalb lustig macht? Manche Witze sind aber möglicherweise dennoch unangemessen. Ich erinnere mich da an den Kinostart des Films „Mein Führer“, in dem Hitler und das NS-Regime durch den Kakao gezogen wurden. Kritiker argumentierten, dass man über solche Gräueltaten grundsätzlich keine Witze machen dürfe, da man sie dadurch herunterspiele.
Es wurde dagegen gehalten, dass man mit der humoristischen Auseinandersetzung mit einem solch ernsten Thema dieses besser verarbeiten könne. Wer schwierigen Themen nicht mit Humor begegne, würde davon erdrückt werden. Eine humoristische Auseinandersetzung damit sei daher gesund.
Wichtig scheint mir die Trennung zwischen einem Witz und der tatsächlichen Meinung zum Thema inklusive das Wissen darüber zu sein. Denn im Humor macht man sich dümmer als man ist und wird dadurch stärker als man scheint.
Wenn die Gefühle desjenigen, über den man Witze macht, verletzt werden, dann wäre es aus Gründen der Höflichkeit ratsam, diese Witze nicht auszusprechen – zumindest nicht in seiner Anwesenheit. Auch hier sollte man sich allerdings die Frage stellen, ob man die Witze über eine Person oder Personengruppe vernichtend meint, oder sie eher mit einem Augenzwinkern ausspricht. Ersteres scheint mir fragwürdig zu sein, denn gemäß der Definition „Humor ist, wenn man trotzdem lacht – sowohl andere über jemanden, als auch er über sich selbst“ entfernen wir uns hier vom Humor.
Humor ist bis zu einem gewissen Grad natürlich auch Geschmackssache. Was ich amüsant finde, mag bei anderen keine Reaktion des Lachens hervorrufen.
Sollte ich also in Zukunft einen Witz machen, den jemand weder lustig noch moralisch vertretbar findet, dann bitte ich ihn, mich zumindest nach meiner ernsthaften Meinung zum Thema zu fragen, damit zumindest keine Missverständnisse über die Intention meines Witzes auftreten und das Problem der Moral entschärft werden kann. Lachen muss man aber dennoch nicht.
“Ich habe es aber nicht so gemeint – ich bin eigentlich ein ganz lieber!” – Ich hoffe dir wird durch den Vorsatz klar, dass die “guter Junge/böser Junge”-Moral spätestens ab der Pubertät dem Nötig Ernst der Realität nicht mehr mithalten kann. Es sei jedem selbst überlassen worüber er Witze machen möchte, da es eh person- und situationsabhängig ist, ob man etwas witzig findet. Doch ist es töricht nur Dinge lächerlich zu machen, die man selbst nicht befürwortet oder in deiner Ausdrucksweise zu bleiben: “Wichtig scheint mir die Trennung zwischen einem Witz und der tatsächlichen Meinung zum Thema inklusive das Wissen darüber zu sein.”
Sigmund Freud hat den Humor in zwei Teile unterteilt:
1) über sich selbst – Clown
2) über Andere – Zyniker/ Grobian
Wie du siehst können beide Humorebenen zu einer negativen einstufung als Mensch führen. Man sollte also ein gesundes Mass suchen und den Menschen für sie geschmacklich leckere Witze anbieten.
Ich stimme dir zu.
Ich stehe auch nach wie vor zu meinem Witz und die Person, die ihn nicht lustig fand, wird damit leben müssen. Die Frage der “guter Junge/böser Junge”-Moral ist daher nicht vordergründig die Intention des Artikels gewesen. Ich möchte allerdings bei allem Spaß auch nicht zu respektlos mit meinen Mitmenschen umgehen, weil ich – und ich behaupte, dass dies meine eigene Moral ist – meine Mitmenschen nicht verletzen möchte.
Die Frage war also vielmehr: Inwiefern lassen sich mein Verständnis von Humor und mein moralisches Verständnis von Respekt unter einen Hut bringen?
Aber vielen Dank für deinen Kommentar! 🙂
Dadurch merke ich, dass ich diese Fragestellung im Artikel viel deutlicher zum Ausdruck hätte bringen müssen. Für mich war sie selbstverständlich, aber meine Leser können vermutlich nicht meine Gedanken lesen.^^