Eine Kritik an der Kritik
Nach zehn Jahren als Chef der FDP gibt Guido Westerwelle nun seinen Parteivorsitz ab und wird im Mai auf dem FDP-Parteitag nicht mehr kandidieren. Der Rücktritt Westerwelles ist die Reaktion auf die seit Wochen größer werdende Kritik, die zuletzt auch in den eigenen Reihen immer lauter wurde.
Doch was genau wurde überhaupt kritisiert?
Zunächst wären da Vorwürfe zur Klientelpolitik. Es gab einen Aufschrei in der Opposition, als im vergangenen Jahr der Hotelmehrwertsteuersatz gesenkt wurde. Grund dafür war die Tatsache, dass die FDP Spenden in Millionenhöhe seitens der Substantia AG erhielt. Als diese Steuererleichterungen auf Grund dieser massiven Kritik wieder rückgängig gemacht wurden, warf man der FDP vor, Wahlversprechen nicht einzulösen und in Wahrheit nicht daran interessiert zu sein, die Mittelschicht zu entlasten.
Was letztlich von Guido Westerwelle und der FDP erwartet wurde, ist mir bis heute nicht klar geworden.
Weiter ging es mit der Position der FDP zum Thema „Erhöhung des Hartz IV Regelsatzes“. Für die Meinung, dass man die Regelsätze nicht erhöhen sollte, weil es einem Arbeitnehmer besser gehen müsse, als einem Arbeitslosen, erntete die FDP erneut unsachliche Kritik. Es wurde der FDP vorgeworfen, Streit zu provozieren und die Gesellschaft zu spalten. Arbeitslose Menschen so anzugreifen sei kein angemessenes Verhalten für einen Vize-Kanzler. Besonders Sigmar Gabriel von der SPD schoss mit Propaganda und an den Haaren herbeigezogenen Argumenten um sich.
„Wenn es Sozialbetrüger in Deutschland gibt, dann sind es die, die die Finanzkrise verursacht haben und zum zweiten die, die einen Teil ihres Geldes in die Schweiz bringen und den anderen Teil auf die FDP-Spendenkonten.“
Dagegen wolle Westerwelle aber nichts unternehmen, denn „er will Klientelpolitik und er will einen Teil der Sozialbetrüger bei sich behalten“.
Andreas Pinkwart brachte es allerdings auf den Punkt, als er damals sagte:
„Wenn es um die Rettung von Banken oder Konzernen wie etwa Opel geht, ist irgendwie immer Geld da. Wenn es aber darum geht, denen mehr von ihrem Geld zu belassen, die den Karren ziehen, dann soll angeblich kein Geld da sein.“
Zuletzt gab es Kritik an Guido Westerwelle, weil dieser den Kampfeinsatz in Libyen ablehnte. Der scheinheiligen Hilfe für die Bevölkerung seitens der USA und anderer Länder (natürlich hat dieser Krieg nichts mit dem in Libyen befindlichen Öl zu tun) wollte sich Westerwelle nicht anschließen. Statt sich mit den umfassenden Sanktionen zufrieden zu geben, kritisierte man Westerwelle dafür, dass er sich nicht an der Gewalt beteiligte.
Auch die Korrektur von Fehlern bzw. Versäumnissen wurde dem Noch-FDP-Chef ein Stein im Schuh. Statt aus gegebenem Anlass die Atompolitik intensiver ins Auge zu fassen, aus Sicherheitsgründen den Atomausstieg zu beschleunigen und alte Reaktoren vom Netz zu nehmen, muss sich Westerwelle als unglaubwürdig beschimpfen lassen. Dass sich Situationen ändern und man sich nach einiger Zeit an neue Umstände anpassen muss, wird hier als großer Makel dargestellt. Ist man als Parteichef nicht festgefahren und in der Lage, Entscheidungen und Ansichten aus Gründen der Vernunft zu überdenken, gilt man sofort als schwankend und unglaubwürdig.
Der Opposition und den Medien ist es in den vergangenen Monaten erfolgreich gelungen, das Feindbild FDP wachsen zu lassen. Da unter diesen Umständen mit sachlicher Argumentation nicht viel zu retten ist, muss die FDP nun als einzige Option ihre Führungsebene verändern.
Die Konsequenz: Es geht ein Mann, der klare politische Standpunkte vertrat, aber dennoch fähig war, diese Standpunkte – wenn nötig – zu modifizieren.