Vor einigen Tagen erhielt ich eine E-Mail von meiner Uni, in der man mir mitteilte, dass meine Kennung inkl. aller Online-Zugänge im März 2017 deaktiviert werden. Seit Anfang September bin ich berufstätig und meine Studienzeit liegt hinter mir. Mit der Deaktivierung aller Online-Berechtigungen ist der Lebensabschnitt „Studium“ nun also endgültig vorbei. Ich denke an diesen Lebensabschnitt sehr gerne zurück. Das Studium der Philosophie und Geschichte an der Universität Essen hat mir viel Freude bereitet, mich inhaltlich und persönlich bereichert und mir – da ich nicht an die Regelstudienzeit gebunden war – den Freiraum gelassen, um auch außerhalb des Studiums Erfahrungen sammeln zu können.
Während meines gesamten Studiums musste ich mir unzählige Male die als Mischung aus Kritik und Vorwurf formulierten Fragen anhören: „Wozu ist ein Philosophiestudium gut?“, „Was bringt dir das?“, „Was willst du damit beruflich erreichen?“. Auch nach Beginn meiner Berufstätigkeit wurde mir schon mehrfach die als Frage getarnte Aussage entgegengebracht, dass ich mir das Studium eigentlich hätte sparen können.
Mir ist natürlich bewusst, dass viele Menschen in kapitalistischen Ländern wie Deutschland weder die nötige Kreativität noch den nötigen Mut aufbringen, um in jungen Jahren nicht-berufsorientierte Entscheidungen zu treffen. Einigen Menschen aus weniger privilegierten Familien haben auch schlichtweg nicht die Möglichkeit, solche Entscheidungen zu treffen, obwohl sie sie gerne treffen würden. Wer jedoch die nötigen Mittel verfügt, um solche Entscheidungen treffen zu können, dem antworte ich meist, dass ich während meines Studiums wichtige Soft-Skills erlernt habe, die in nahezu allen Berufen nützlich sind. Dazu zählt es, gewissenhaft recherchieren und komplexe Texte verstehen; logisch ziel- und ergebnisorientiert argumentieren; Sachverhalte und Sichtweisen meiner Mitmenschen aus verschiedenen Perspektiven betrachten und basierend darauf Schlussfolgerungen ziehen; im Team arbeiten zu können etc. Diese Fähigkeiten erlauben mir es prinzipiell, mich auch in neue berufliche Themen und Situationen einarbeiten zu können, die mir fachlich noch fremd sind.
Tatsächlich ist aber ein anderer Grund viel entscheidender für mich gewesen: Zeit. Zeit, um herauszufinden, wer ich eigentlich bin. Zeit, um in meinem eigenen Tempo herauszufinden, was mir wirklich liegt und was ich möchte. Zeit, um privat Dinge zu erleben, von denen ich noch nicht wusste, dass sie mir wertvolle Erfahrungen sein und wichtige Erkenntnisse liefern würden. Zeit, um nach dem Abitur und Zivildienst ohne den harten Druck des Berufsalltags erwachsen werden zu können.
Viele Menschen konnten, wollten oder durften sich nicht diese Zeit nehmen und sind trotzdem mehr oder weniger erfolgreich erwachsen geworden. Wer jedoch im Stillen zugeben muss, dass er neidisch auf meinen gewählten Weg und die dadurch gewonnene (und keineswegs verlorene) Zeit blickt, beginnt zu begreifen, dass meine Entscheidung für mich richtig war.