Wir geben uns auf
Heute las ich im Internet einen interessanten Artikel über das neue Produkt Google Glass. Glass ist eine Art Brille, die noch in diesem Jahr auf den Markt kommen wird. Mit ihr wird es möglich sein, Informationen über Gegenstände und Personen abzurufen, die man gerade sieht. Auch das Aufnehmen von Fotos und Videos sowie das Anzeigen von Text und Benutzen von Apps wird möglich sein. Dabei ist die Brille per WLAN mit dem Internet verbunden und kann auf soziale Netzwerke und andere Inhalte zugreifen.
Google Glass klingt definitiv nach einer spannenden Technologie, die unser Leben enorm erleichtern kann. Bei Präsentationen müssen wir nicht mehr frei sprechen, sondern können Glass wie einen Teleprompter verwenden. Wenn wir jemanden in einer großen Menschenmenge suchen, identifiziert die Brille für uns die gesuchte Person. Im Urlaub können wir mit einem Blick auf das fragliche Objekt alle wissenswerten Informationen darüber abrufen – von Kunstwerken und Gebäuden über die schnellste Route in der fremden Stadt bis hin zu einem Preisvergleich der Hotels.
Mit anderen Menschen zu sprechen wird dann nicht mehr notwendig sein. Und falls doch, dann gibt es bestimmt spannende Apps, die einem z.B. beim ersten Date oder in einem Bewerbungsgespräch die richtigen Sätze einblenden werden.
Selber denken kommt bereits jetzt schon aus der Mode. Wer schafft es denn heute noch, eine Karte zu lesen und dann ohne Navigationsgerät einen Weg zu finden und ihn sich dann auch noch zu merken?! Alles was wir glauben, wissen zu müssen, können wir mit Hilfe unserer Smartphones bereits jetzt heraussuchen. Bereits jetzt ist die Kommunikation besonders unter jungen Menschen unterentwickelt. Und wenn nicht, ist sie oftmals sehr eingeschränkt, da kein längerer Gesprächsfluss mehr zustande kommt. Spätestens nach fünf Minuten muss ja das Smartphone gezückt und das neuste Update aus einem der sozialen Netzwerke gelesen werden.
Uns auf unsere Mitmenschen konzentrieren und aufmerksam zuhören können wir jetzt schon nicht mehr.
Google Glass wird diese Entwicklung noch verstärken. Wie fremdgesteuert werden wir uns mit Glass auf der Nase nach den Dingen richten, die uns vor den Augen angezeigt werden. Unsere Selbstständigkeit wird weiter abnehmen und wir werden in einigen Jahren völlig hilflos sein, wenn man uns Glass wegnimmt. So wie wir bereits jetzt völlig aufgeschmissen sind, wenn wir eine komplette Woche vollständig auf Internet und Smartphone verzichten müssen. Wir geben uns zunehmend selbst auf und machen uns abhängig von technischen Spielereien, von denen man uns einredet, sie würden unser Leben erleichtern.
Ich gehöre nicht zu den Leuten, die grundsätzlich alles Neue ablehnen. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass die Mehrheit der Menschheit noch nicht bereit für solche Geräte wie Smartphones oder Google Glass ist. Wäre sie es, würde sie nicht permanent mit diesen Geräten herumspielen. Ab und zu ist so eine mediale Beschäftigung durchaus ein netter Zeitvertreib. Wenn man aber z.B. bei jeder Zugfahrt Musik hören oder mit seinem Smartphone beschäftigt sein will, dann halte ich das für bedenklich.
Wir halten es scheinbar nicht mehr aus, einfach mal für eine Weile nichts zu tun und nachzudenken. Wir können nicht mehr innehalten und uns und unsere Umwelt hinterfragen. Ständig, überall und permanent müssen wir uns ablenken und mit Facebook, YouTube etc. bespaßt werden oder in Kontakt mit anderen Menschen bleiben. Und während wir denken, wir würden unsere sozialen Kontakte pflegen, sitzen wir alleine und abgegrenzt von anderen Menschen da und tippen auf einen kleinen Bildschirm.
Unsere Gesellschaft wird unsozialer. Google Glass wird diesen Effekt verstärken, weil die Menschen nicht bewusst mit solchen technischen Möglichkeiten umgehen können.
Doch die Entwicklung geht weiter. Der Nationale Geheimdienstrat der USA hält sogenannte Cyborgs – Augmentierungen, die den menschlichen Körper technisch verbessern – in 15 bis 20 Jahren für möglich.
Vielleicht sollten wir uns alle mal die ein oder andere Folge von „Star Trek: Das nächste Jahrhundert“ ansehen. Von den Borg – eine biologisch-kybernetische außerirdische Rasse – sind wir nicht mehr sonderlich weit entfernt.