Die Kunst des Zurechtlegens

Politisch korrekt?
Durch einen Kommentar zu meinem Artikel „Böse Worte“ von letzter Woche bin ich zu diesem Artikel inspiriert worden. Denn wo einem durch die Politik und die Medien gewisse Ausdrucksweisen verboten werden, da werden natürlich alternative Ausdrucksweisen angeboten.
Grund für Verwendung beschönigender Formulierungen scheint mir die Unfähigkeit zu sein, offen und direkt mit Problemen umzugehen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Besonders schwierig ist es, Konflikte mit klaren Worten anzugehen, wenn man eine Person des öffentlichen Lebens ist. Gerade Politiker, die in der breiten Masse auf Zustimmung treffen möchten, tun sich damit schwer – besonders, wenn ein Teil der Wählerschaft ein Teil des Problems darstellt, wie z.B. Harz IV – Empfänger, Wähler mit Migrationshintergrund, Personen ohne Schulabschluss etc.
Damit sich die betroffenen Personen aber nicht beleidigt fühlen und ihnen der nötige Respekt erwiesen wird, denkt man sich diplomatische Begriffe, wie z.B. „bildungsferne Schicht“ für Personen ohne Bildungsabschluss aus. Das klingt schließlich auch viel netter als „Versager“, obwohl dieser Begriff die Sache auf den Punkt bringt.

An dieser Stelle wird sich der ein oder andere Leser bestimmt über meinen vorherigen Satz empören. Aber warum? Haben Menschen ohne Schulabschluss etwa nicht versagt? „Versager“ klinge abwertend und verhöhnend, mögen Kritiker nun einwerfen. Mancher Schüler könne nichts für seine fehlenden Leistungen.
Tatsächlich jedoch habe ich mit dieser Formulierung keinerlei Wertung vorgenommen. Vielmehr drängt sich die Frage nach dem „warum?“ auf, die in der Kritik ansatzweise anklang. Die Aufgabe der Politik ist es nicht, Versagern eine diplomatische Bezeichnung zu geben (was nebenbei erwähnt auch arrogant und abwertend wirkt), sondern zu hinterfragen: warum sind diese Personen Versager und wie kann man sie zu Gewinnern machen?
Anhand dieses Beispiels zeigt sich deutlich: mit Political Correctness entschärft man Probleme, wenn man sie nicht sogar vollständig umgeht. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit einem unbequemen Thema kann jedoch mit Schönmalerei nicht stattfinden. Doch warum fühlen sich Politiker und andere Personen des öffentlichen Lebens gezwungen, nicht mit klaren Worten Stellung zu einem Thema nehmen zu können?
Ist nämlich jemand so mutig und nennt das Problem in der Öffentlichkeit beim Namen, indem er die bildungsferne Schicht als Versager bezeichnet, einen Teil der Harz IV–Empfänger als Sozialschmarotzer entlarvt oder Thilo Sarrazins Behauptungen ernst nimmt und sich auf eine sachliche Diskussion mit ihm einlässt, wird er – das hat die Vergangenheit gezeigt – diffamiert
und mundtot gemacht.

Zu Problemen wird nicht zuletzt durch meinungsmanipulierende Medien viel zu schnell eine klare und feste Position bezogen. Denn die Medien wollen durch eine entsprechende Aufbereitung die Emotionen der Konsumenten erregen – Skandale verkaufen sich halt besser. Eine tiefgründige und inhaltsorientierte Auseinandersetzung mit den Themen findet kaum statt. Und am Ende werden Wörter oder ganze Sätze tabuisiert und umformuliert, um dem erregten Gemüt nicht noch mehr Zündstoff zu geben. Wer dies kann, beherrscht die Kunst des Zurechtlegens – und hat damit nichts gewonnen, was der Sache dienlich ist.
Die Rolle der Medien, deren unnötige Skandalisierung von Problemen und die daraus resultierende populistische Meinungsbildung ist nur einer von mehreren möglichen Versuchen, zu erklären, warum in Deutschland die Meinungsfreiheit praktisch nur eingeschränkt praktiziert werden kann.
Schließlich gehört zu diesem Thema auch immer die Bevölkerung, die darauf anspringt und nicht in der Lage ist, sich eine eigene Meinung zu bilden und differenziert auf die Themen zu blicken. Diese Unfähigkeit birgt die Gefahr, dass das Volk am Ende nicht mehr begreift, was hinter den Begriffen und Formulierungen steht.
Statt deutliche Worte für Missstände zu Schimpfworten verkommen zu lassen und diese dann zu tabuisieren, sollte man die Probleme direkt ansprechen und sachlich und differenziert diskutieren.

4 thoughts on “Die Kunst des Zurechtlegens”

  1. Vorhin habe ich ein Interview mit dem Rapper Samy Deluxe gelesen. Ich möchte daraus zitieren:

    ” “Mich würde trotzdem interessieren, wie deine Zustandsbeschreibung für Deutschland im Jahr 2011 aussieht.”

    (lacht) “Das kann ich auf keinen Fall. Was ich aber sagen kann: Durch das “Dis wo ich herkomm”-Projekt, und zwar die positive und die negative Resonanz, habe ich gemerkt, dass sich dieses Land so sehr mit Begrifflichkeiten auseinandersetzt, das am Ende das Thema gar nichts mehr zählt. Du und ich könnten der gleichen politischen Meinung sein, dann sage ich einmal Hitler, und du könntest gleich schreiben, dass ich ein Nazi bin. […]
    Außerdem habe ich gemerkt, dass gute Ansätze schnell zerstört oder nicht gehört werden. Ich habe ein Buch, ein Album und ein TV-Format gemacht, um zu zeigen, Deutschland könnte doch ganz cool sein, wenn wir uns damit auseinandersetzen. Und dieser Sarrazin schreibt ein Buch, und alle haben sich darauf gestürzt. Deutschland hat nur durch die Aussage von einer einzigen Person direkt Rückschritte gemacht. Alle sind wieder paranoid und schicken ihre Kinder lieber nicht auf Schulen mit zu hohem Ausländeranteil, weil sonst die dummen Gene auf ihre Kinder überspringen könnten. […]” ” (Quelle: n-tv.de)

    Böse Worte, die nicht politisch Korrekt sind + Skandalisierung = Stimmungsbild Deutschland.

  2. Ein sehr sachlicher, kritischer und abgeschlossen durchdachter Aktikel. Ich habe keine Einwände dagegen und meine auch sagen zu können, dass du mit diesem Artikel mal wieder so manche Journalisten des Spiegels und anderer Zeitungen überboten hast. Dabei hast du es seriös, aber doch für Jederman verständlich formuliert. Ich befürchte nur, dass dieser Beitrag von verhältnissmässig wenigeren Usern gelesen wird als zum Beispiel deine Kritik an der Schwulenszene. Die Begründung für dieses Phänomen hast du in diesem Artikel sogar schon angeführt: Skandale verkaufen sich besser…

    1. Vielen Lieben Dank!
      Ich fürchte nur, dass mein Artikel so niemals im Spiegel oder sonstwo abgedruckt werden würde, da ich innerhalb der Medienlandschaft mit meinen Äußerungen “skandalös” bin.
      Wäre ich bereits ein Journalist, hätte ich meine gesamte Berufsgruppe kritisiert und da schließt sich bekanntlich der Kreis – denn was diese Form der kritischen Auseinandersetzung für Folgen hat, wissen wir beide. 😉

  3. Naja, in Hinsicht auf unseren gesellschaftlichen Anforderung haben diese Leute nun mal nicht so gut “abgeschnitten”…. und dann liegt es ja sehr nahe, diese dann als Versager zu betiteln.
    Genau so wie jemand, der bei einem Spiel nicht gewonnen, sondern versagt hat.

    Gewinner oder verlierer, reich oder arm.

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