Der kleine Unterschied
Wir alle Lügen jeden Tag – mehrfach! Teilweise sogar ohne es zu bemerken. Meistens handelt es sich um kleine Notlügen, die aus purer Bequemlichkeit eingesetzt werden. Wenn Mutter fragt, ob man sich in seiner ersten eigenen Wohnung auch gesund ernährt, dann ist man dazu geneigt, einfach mal „Ja klar“ zu antworten. Diese Lüge scheint kaum der Rede wert zu sein.
Wie sieht es aber in folgendem Fall aus? Jonas leiht sich Geld von seinem besten Freund. Sie vereinbaren einen Termin, an dem Jonas das Geld zurückzahlen soll. Dieser stimmt zu, hat aber gar nicht vor, das Geld zurückzuzahlen.
Ein weiteres Beispiel: Tanja wird nachts brutal zusammengeschlagen und anschließend vergewaltigt. Frank sieht das, ist aber so geängstigt und schockiert, dass er nicht eingreift oder Hilfe holt. Vor Gericht leugnet er, Zeuge der Tat gewesen zu sein.
In allen drei Fällen wird gelogen, aber dennoch unterscheiden wir sie und bewerten das Lügen intuitiv unterschiedlich. Dies mag wohl mit den Folgen zusammenhängen, die das Lügen nach sich zieht. Lügen ist eine Handlung, die zunächst einmal nicht geboten ist. Die entsprechende Norm lautet also „nicht lügen“.
Im dritten Fall sind die Folgen der Nichteinhaltung des Lügenverbotes schwerwiegender als in den anderen beiden Fällen. Die Lüge von Frank verhinderte, dass Tanjas Qualen frühzeitig beendet und die Täter identifiziert und verurteilt werden konnten. Die falsche Information, die die Mutter von ihrem Sohn/ihrer Tochter im ersten Fall erhält, erscheint dagegen ziemlich unbedeutend.
So unbedeutend wie der erste Fall ist der zweite hingegen nicht mehr. Jonas missbraucht das Vertrauen seines besten Freundes und fügt ihm einen finanziellen Schaden zu.
Je schlimmer die Folgen der Nichteinhaltung der Norm sind, desto stringenter muss die Norm befolgt werden. Man spricht in diesem Zusammenhang von axiologischen Evaluationen. Sie sind auf ein Kontinuum situiert, d.h. sie haben eine unterschiedliche Gewichtung in der Verpflichtung, sie einzuhalten. Das Augenmerk wird also auf Sachverhalte und Personen gelenkt, deren Handlungen unterschiedlich stark bewertet werden.
Es lässt sich natürlich fragen, ob das Lügenverbot nicht vielmehr eine konsequentialistische* Norm ist, die es grundsätzlich einzuhalten gilt? Dies scheint mir jedoch nicht der Fall zu sein. Die Praxis zeigt, dass wir dem Lügen nicht jederzeit negativ gegenüberstehen und oft genug lügen, ohne moralische Bedenken zu haben. Man stelle sich vor, dass man durch eine Lüge
einen Verbrecher täuschen und somit einen Mord verhindern könnte. Hier wird wohl kaum jemand Gewissensbisse haben, wenn er den Verbrecher anlügt.
Was am Ende übrig bleibt, ist ein wenig müßig: Auch wenn man es nicht bis zur Perfektion zu Ende tun kann, ist es ratsam, sich vor jeder Lüge zu überlegen, welche Konsequenzen daraus resultieren und ob es nicht eine Alternative zur Lüge gibt.
Ich versuch das zumindest – wirklich!
*Nachtrag: Ein Fehlerteufel hat sich eingeschlichen! Der vorletzte Absatz muss beginnen mit: “Es lässt sich natürlich fragen, ob das Lügenverbot nicht vielmehr eine kategorische Norm ist, die es grundsätzlich einzuhalten gilt?”
Nagelt Stuart hart! xD
Aber mal ersnthaft: ein gut bedachter Text, aber leider fällt mir der Punkt, wo die meisten Leser wirklich merken, woran sie stehen, sprich: wo liegt der Preis der Leser für sich als schon erwähnte Lügenprostituierte, die wenn der Preis stimmt, auch gerne lügt. So ist ein jeder Leser wieder seiner Sicht überlassen, nach der Otto-Normalleser immer noch denkt man spreche von abstrakten Begriffen wie die Mathematiker mir ihren Unendlichkeiten und Binominalkoeffizienten…
Ich bin noch am überlegen, einen Zweiteiler daraus zu machen. Tatsächlich habe ich nicht mehr als eine Bestandsaufnahme gemacht, die zusätzlich mit ein paar netten Begriffen gespickt ist.. Man fragt sich nach dem lesen: So what?!
Wer jedoch Interesse am Thema hat, kommt möglicherweise ins Nachdenken und könnte sich fragen, ob man nicht einen Zustand kategorischer Normen anstreben sollte. Zieht man das Gegenargument (mit einer Lüge einen Mord verhindern) hinzu, kann man den Bogen hin zur Emotionalität spannen. . . mehr will ich hier gar nicht vorweg nehmen, falls ich das noch ausführen sollte.
Ob die “Reise” weitergeht und wenn ja, wohin, weiß ich noch nicht recht.^^
Mit solchen Begriffen wie “kategorisch” wäre ich aber vorsichtig. So mancher dürfte sich dabei fragen was es bedeute…