Boetticher und die Liebe zur Jugend
Der schleswig-holsteinische CDU-Spitzenkandidat Christian von Boetticher trat letzte Woche Montag von seinem Amt zurück. Auch als Fraktionsvorsitzender im Landtag trat er zurück. Der Grund: Boetticher führte im vergangenen Jahr eine Liebesbeziehung mit einer damals 16-Jährigen.
Was rein rechtlich legal ist, sorgte in der CDU für Empörung. Sie steht schließlich für bürgerliche Werte wie Familie, Treue, Disziplin, Glaubwürdigkeit und Moral. Und eben wegen seiner unmoralischen Beziehung wuchs der parteiinterne Druck auf Boetticher. Was allerdings an Boettichers Beziehung zu der 16-Jährigen unmoralisch sei, kann die CDU selbstverständlich nicht erklären. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen sagte, dass der Vorgang „mehr als eine nur rechtliche Dimension” habe. Dass das Verwerfliche an Boetticher nicht näher konkretisiert werden kann, ist allerdings damit zu erklären, dass eine solche Beziehung an sich nicht Verwerflich ist.
Die intuitive Verurteilung von Beziehungen zu Menschen, die deutlich jünger sind, als man selbst, ist hingegen sehr wohl erklärbar. Denn wie wir selbst immer wieder im Alltag feststellen können, lehnen die meisten Menschen vieles, das sie nicht kennen und/oder verstehen, zunächst ab. Vermutlich ist dies eine Art Schutzreaktion. Durch befremdliche Verhaltensweisen fühlen wir uns – warum auch
immer – bedroht. Erst wenn wir mit dem Unbekannten „warm werden“, können wir unsere Zweifel ablegen.
Doch wenn wir uns von diesen vagen Erklärungen fortbewegen, gibt es dennoch plausible Gründe, die gegen eine Beziehung zwischen einem Erwachsenen und einem Teenager sprechen. Dabei gehen mir folgende Fragen durch den Kopf: Kann man sich auf geistiger Ebene überhaupt verstehen? Ein Erwachsener hat möglicherweise auf Grund seiner Lebenserfahrungen Bedürfnisse, Hoffnungen und Sorgen, die jemand im Jugendalter noch nicht verstehen und emotional fassen kann.
Andersrum stellt sich die Frage ebenfalls: Kann ein Erwachsener wirklich die Bedürfnisse seiner jugendlichen Partnerin verstehen?
Was generell in Zweifel gezogen werden kann, ist wie so vieles jedoch nicht allgemeingültig. Es soll durchaus Fälle geben, bei denen sich die beiden Partner aufrichtig lieben und dem jeweils Anderen alles bieten können, was er braucht – trotz eines enormen Altersunterschiedes.
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Im Fall Boetticher hat die Intoleranz gesiegt – das Anderssein Boettichers Gefühle im Vergleich zur breiten Masse. Dies machte ihn zur Gefahr – zur Gefahr des Üblichen!
Die Konsequenz: eine verlorene Liebe (weil Boetticher die Beziehung auf Grund seiner politischen Ambitionen bereits im vergangenen Jahr beendete und erkannte, dass er und seine Gefühle nicht akzeptiert werden würden), eine zerstörte Karriere und eine angeschlagene schleswig-holsteinische CDU, die sich a) für die Landtagswahlen neu aufstellen muss und b) auf Grund der fortschreitenden Liberalisierung der Gesellschaft so tief in der Identitätskrise steckt, wie nie zuvor. Denn spätestens seit Boetticher ist klar, dass die vermeintlichen „Werte“, die die CDU nach außen hochhält, innen längst nicht mehr gelebt werden.