Was aufmerksamen Beobachtern und Menschen mit gesundem Menschenverstand schon seit einigen Jahren klar ist, dürfte den Letzten spätestens jetzt nach den Landtagswahlen in Hessen und Bayern klar sein, auch wenn sie es noch immer nicht laut aussprechen mögen: die AfD wird von Vielen schon lange nicht mehr nur aus Protest gewählt, sondern aus Überzeugung. Dies lässt sich aus den Wahlanalysen von Jörg Schönenborn und dem ARD-Wahlstudio gut entnehmen.
Erstmal ist dies auch keine Überraschung. Die Bundesregierung – sowohl die letzte als auch die aktuelle – hat drängende Probleme in der Asylpolitik nicht erkannt, nicht ernst genommen und nicht angepackt. Der Slogan „Fluchtursachen bekämpfen“ wurde zu einem geflügelten Wort und blieb im Großen und Ganzen ohne Konsequenzen. Und es blieb nicht nur bei der Ignoranz der Probleme. Vielmehr wurden die vermeintlichen Vorteile einer kulturell möglichst heterogen gemixten Gesellschaft gebetsmühlenartig aufgezählt und wiederholt. Dass eine in diesem Sinne bunte Gesellschaft bis zu einem gewissen Grad tatsächlich bereichernd und lebenswert ist, sei den Anhängern dieser Politik durchaus zugestanden. Wer jedoch negiert, dass ein Land mit zu vielen Flüchtlingen aus unterschiedlichen Kulturen wirtschaftlich und kulturell überfordert wird, verschließt die Augen vor der Realität. Und als ob dies noch nicht schlimm genug ist, wird jeder, der auf diese Probleme hinweist, sofort als Rassist verunglimpft, selbst wenn er sich für die genannten Probleme eine menschenwürdige Lösung herbeisehnt. Ein Schießbefehl an der Grenze gehört sicherlich nicht dazu.
Auf eine ähnliche Weise kann man auch bei den Themen „gendergerechte Sprache“ oder „Sexismus“ argumentieren. Ich selbst habe in den vergangenen Jahren immer wieder kritisiert, dass Aktivisten aus dem politisch linken Lager auf antidemokratische Weise abweichende Meinungen als inakzeptabel einstufen, deren Vertreter moralisch verurteilen, verunglimpfen und eine inhaltliche Debatte unter dem Deckmantel der Toleranz zu unterdrücken versuchen. Auf diese Weise werden Haltungen als rassistisch oder sexistisch eingestuft, die weit davon entfernt sind. Wer dies erkennt, sich aus dem demokratischen Diskurs ausgeschlossen fühlt, sich als böser Unmensch diffamiert fühlt, dessen Haltung verboten sollte, protestiert nicht nur mit einem Kreuz bei der AfD, sondern bildet die Überzeugung aus, dass diesen antidemokratischen Auswüchsen aus dem mitte-links Lager Einhalt geboten werden muss.
Hier findet auf beiden Seiten eine Radikalisierung statt, die unsere Gesellschaft entzweit und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ernsthaft gefährlich werden kann. So berechtigt die Kritik an der bestehenden Regierung und den linken Aktivisten auch sein mag, so fatal ist es, echten Nazis und Rassisten, die es in der AfD gibt, mit dem Kreuz an der Wahlurne Macht zu geben. Wohin das führen kann, hat Deutschland vor 90 bis 100 Jahren schon einmal erlebt. Und dies ist kein plakatives Horrorszenario, sondern eine realistische historische Parallele. Bei all den unterschiedlichen Haltungen, die wir in der Gesellschaft vorfinden – bei aller Kritik an der Migrationspolitik, an dem zu engen erlaubten Meinungskorridor, an dem zu strengen Sexismus-Begriff, an der gendergerechten Sprache – muss unser Lösungsansatz immer ein konstruktiver und humanistischer sein. Ein Abrutschen ins Totalitäre, ein in Kauf nehmen tatsächlicher Menschenverachtung und Gleichgültigkeit hat uns einerseits historisch erwiesenermaßen immer mehr Probleme als Lösungen eingebracht und wird andererseits nicht dazu beitragen, dass man sich abends im Spiegel selbst noch in die Augen blicken kann.
Aus diesen Gründen verbittet sich auch in diesen schwierigen Zeiten die Wahl der AfD. Denn die AfD bietet keine Lösungen an – zumindest keine Lösungen, die auf einem grundlegenden Respekt anderen Menschen gegenüber beruhen. Um eigene Interessen durchzusetzen, würden manche AfD-Politiker sprichwörtlich über Leichen gehen. Und das darf keinesfalls billigend in Kauf genommen werden, so unzufrieden man auch sein mag.
Auch meine Kritik an einigen sogenannten „woken“ Positionen endet dort, wo das Gegenteil herbeigesehnt wird. Das war in der Vergangenheit so und wird auch zukünftig so sein. Mir ist sowohl das eine als auch das andere Extrem zuwider. Mir ist auch klar, dass heutzutage individuelle Rechte und Freiheiten das Zentrum von Freiheitsdebatten sind und als Argument herhalten, um anderen Menschen in ihren Freiheiten – wie der Meinungsfreiheit – zu beschneiden. Da wir aber in einer Gesellschaft leben und mit vielen Menschen irgendwie klarkommen müssen, scheint mir der universalistische Freiheitsbegriff im kantischen Sinne – so wie er beim Inkrafttreten des Grundgesetzes und unserer gegenwärtigen Rechtsordnung mitgedacht war – noch immer der gangbarste Weg zu sein. Dieser Weg beinhaltet aber auch die Konsequenz, dass die eigenen Befindlichkeiten und Freiheiten nicht bis zum Äußersten gegen die Mitmenschen durchgesetzt werden können, sondern dass diese Freiheiten auch den Mitmenschen mit abweichender Haltung zugestanden werden muss – so schmerzlich wie das auch manchmal sein mag. Wenn sich sowohl linksgerichtete als auch konservative Menschen dies zu Herzen nehmen würden, wäre der Ton in unserer Gesellschaft nicht ganz so rau.
Ich erinnere…enorme Probleme und Defizite in nahezu allen Bereichen unserer Gesellschaft…wie Rente, Bildung, Medizin, soz. Wohnungsbau, Justiz, Schulwesen, Millitär, innere Sicherheit, Asyl u. Migration, Energiewende usw.. Seit der 1990 waren alle etablierten Parteien in Regierungsverantwortung….und wo stehen wir ? Ergo…wem sollte man wählen? Vom Regen in die Traufe? Lieber denen eine Chance geben, sich zu beweisen, statt allen anderen, welche das Vertrauen verspielten und nun nur jammern… Alle Anderen sind schlecht …Nur nicht das eigene Versagen ?
Den Gedanken kann ich total nachvollziehen. Diesen Frust verspüre ich auch manchmal, wenn ich mir die altbekannten Parteien ansehe. Bei jeder Wahl fällt mir diese nicht leicht und es dauert, bis ich eine Wahlentscheidung treffe. Bin auch Wechselwähler.
Die Probleme im Land und das teilweise Versagen der etablierten Parteien können und sollten aber nicht über das hinwegtäuschen, was ich im Artikel beschreibe und weshalb die AfD für mich trotzdem unwählbar und keine gute Alternative ist. Da werden rote Linien überschritten, die aus meiner Sicht nicht überschritten werden dürfen. Aber am Ende des Tages muss sich jeder über seine eigenen Prinzipien im Klaren sein und sich abends alleine im Spiegel in die Augen schauen können.