Tugendhaft handeln
Im zweiten Teil ging es um die aktiven und passiven Störfaktoren, die uns daran hindern, Glückseligkeit zu erlangen. Ebenfalls teilte ich das Glückseligkeitsgefühl in zwei Stufen ein und beschrieb die Erste.
Auf der zweiten Stufe befindet sich unser mittelbares Glücksgefühl. Dieses Glücksgefühl spüren wir in der Regel nicht bewusst und rufen es uns auch nicht ins Gedächtnis – leider. Denn Alltagserlebnisse, wie sie in großer Zahl tagtäglich vorkommen, lassen uns den Blick für die Summe der Attribute zur Glückseligkeit, die wir bereits erreicht haben, nicht erkennen. Das mittelbare Glücksgefühl ist tiefgründiger als das unmittelbare Glücksgefühl und besitzt einen höheren Wert als das unmittelbare, da es von vergleichsweise belanglosen Alltagserlebnissen unberührt bleibt.
Mit einem Blick auf die im ersten Teil beschriebenen Attribute zur Glückseligkeit werden Erlebnisse wie das Stehen im Stau oder gelegentliche Überstunden nichts daran ändern, dass man ein Hobby, guttuende zwischenmenschliche Beziehungen oder einen gewissen Lebensstandart hat.
Da wir jedoch von Alltagserlebnissen jeglicher Art konfrontiert und zur – wenn auch nur kurzen – Auseinandersetzung gezwungen werden, verlieren wir nur allzu oft den Blick für die Attribute, die erfüllt werden. Das viel intensivere Gefühl der Zufriedenheit wird von den negativen Störfaktoren überschattet, sodass wir den Wert der Attribute oftmals nicht erkennen und sie somit nicht zu schätzen wissen. Der Grund für fehlende Zufriedenheit liegt also in der Schwierigkeit, sein persönliches Glück, welches das Vorhandensein der Attribute zur Glückseligkeit ist, zu erkennen.
Natürlich mag es Menschen geben, die tatsächlich keinen Anlass haben, Zufriedenheit zu fühlen, weil ihr Leben nicht in Bahnen verläuft, die dies zulassen. Jedoch bin ich der Überzeugung, dass vielen unzufriedenen Menschen die Fähigkeit fehlt, ihre mittelbare Zufriedenheit bewusst wahrzunehmen und zu erleben.
Wir können versuchen, uns die Fähigkeit anzutrainieren, mittelbare Zufriedenheit bewusst wahrzunehmen. Dabei helfen uns verschiedene Tugenden, die wir mit unserem Verhalten zu Tage fördern können, wie zum Beispiel Besonnenheit, Geduld, Fairness etc.
Eben in diesen Alltagssituationen, in denen wir oftmals unnötig gestresst werden, wie das Stehen im Stau, nervige Mitmenschen usw. helfen uns unsere Tugenden, diese „Probleme“ des Alltags relativistisch zu betrachten.
Somit machen Tugenden einen wichtigen Teil des Menschen aus, damit sie eudaimon leben können. Dabei sind einzelne Tugenden für sich bloß Facetten „DER Tugend“. Eine Facette allein ist noch keine Tugend. Die Tugend schlechthin kann man nicht besitzen, wenn man nicht alle Facetten der Tugend besitzt. Man mag bezweifeln, dass dies überhaupt möglich sein kann, jedoch lohnt es sich in jedem Fall, diesen Zustand anzustreben.
Tugenden werden durch Übung und Gewöhnung an Handlungsweisen erworben – also durch praktische Anwendung, mit der man seine Sensitivität schult.
Mit genügend Selbstdisziplin und der Fähigkeit, sowohl kontinuierlich an sich zu arbeiten, als auch einen Blick für das Wesentliche – also die Attribute zur Glückseligkeit – zu entwickeln, ist es nicht schwer, dauerhaft glücklicher zu werden.