Der Terroranschlag in Paris ist noch nicht ganz vergessen, da erhalten bereits wichtigere Themen Einzug in die Presse und sozialen Medien. Wichtigere Themen? – Nun ja, das nun wirklich nicht. Es sei denn, der Eurovision Song Contest (ESC) ist für einen der Lebensmittelpunkt. Aber zumindest ist der Skandal um die Nominierung von Xavier Naidoo ein höchst unterhaltsames und mindestens genauso emotionales Thema, wie die Anschläge. Wie du sehen kannst, springe ich mit diesem Artikel direkt auf den Zug auf und lasse mich ebenfalls dazu aus. Besonders meine Freunde dürften jetzt schmunzeln. Denn der ESC interessiert mich nämlich…nicht. Aber in Zeiten von sozialen Netzwerken ist es ja sowieso schwer angesagt, auch als Nobody zu jedem Mist seinen Senf hinzuzugeben. Und da mir das Thema einfach Spaß macht, geize auch ich nicht mit meinem Senf. Also dann…Tube auf…Senf Marsch!
Xavier Naidoo gilt also als Spinner und Verschwörungstheoretiker, wie ich kürzlich erfahren durfte. Er sprach vor selbsternannten Reichsbürgern, hält Deutschland für eine Gesellschaft mit beschränkten Bürg….beschränkter Haftung und das sogar schon seit Jahren. Aus Sicherheitsgründen schreibe ich es lieber mal dazu: ich teile Naidoos Ansichten nicht! Dennoch hätte ich es nicht schlimm gefunden, wenn er beim ESC angetreten wäre – und zwar aus zwei Gründen:
1.) Schon früher wurden Kandidaten ohne Abstimmung durch das Publikum zum ESC geschickt. Würde Naidoo nicht so polarisieren, hätte sich daran also niemand gestört.
2.) Naidoos Aussagen mögen unvernünftig und falsch sein. Sie verstoßen allerdings nicht gegen geltendes Recht. Lustigerweise sind es besonders Personen und Organisationen, die für Gleichberechtigung und Menschenwürde kämpfen, während sie gleichzeitig gegen Naidoo hetzen und ihn wegen seiner persönlichen Ansichten von der Bühne gejagt haben. Meinungsfreiheit scheint in diesem Land ein seltenes Gut geworden zu sein; ganz nach dem Motto: deine Meinung ist frei, solange sie meiner eigenen Meinung entspricht. Andernfalls wirst du geächtet. Entsprechend werden die Prominenten, die sich in einer Werbeanzeige für Naidoo beim ESC ausgesprochen haben, übel beschimpft und für dumm verkauft. Mein Verständnis von Meinungsfreiheit und Respekt sieht etwas anders aus. Wenn die Bevölkerung einer Demokratie noch nicht einmal mehr einen harmlosen Verschwörungstheoretiker aushält, der sich sogar FÜR Toleranz und Respekt ausspricht und definitiv kein Antisemit oder Rassist ist, dann können wir uns langsam mal Gedanken um eine neue Staatsform machen. Lange wird unsere Demokratie dann nämlich nicht mehr halten.
Natürlich ist der ESC keine Musikveranstaltung mehr, sondern eine Bühne für politische Statements. Da schickt es sich natürlich in der Tat nicht sonderlich, einen Musiker mit abstrusen Theorien als Repräsentanten des eigenen Landes hinzuschicken. Doch gerade weil der ESC so eine verrückte und bunte Veranstaltung geworden ist, passt Naidoo doch fabelhaft dort hin. Und im Zweifel weiß der erfahrene PR-Manager: schlechte Werbung ist gute Werbung.
Was mich an dem Thema aber am meisten unterhält und auch aufregt, ist die Art, wie darüber gesprochen wird. Diskussion kann man dieses verbale Erbrechen schon gar nicht mehr nennen. Ein paar Argumente, in denen jemand nicht persönlich angegangen wird, wären mal schön gewesen. Ich hoffe, dass ich in meiner Wortwahl ein gutes Beispiel sein konnte.
Nun ist meine Senftube leer. Bis zum nächsten Blogartikel. 🙂
“Seit meinen ersten Bühnenauftritten trete ich bekanntlich öffentlich für Werte wie Freiheit, Toleranz und Liebe ein. Keiner, der mich persönlich kennt, hat mir jemals auch nur annähernd das Gegenteil vorgeworfen.
Mir widerstrebt, mich jetzt bekennerhaft für etwas zu rechtfertigen, was ich nicht bin und was ich schon mehrfach erläutert habe. Nur soviel: Ich bin froh, in einem “bunten” Deutschland zu leben, mit einer Vielfalt an Lebensentwürfen und Religionen, über die ich mich freue. Ich habe auch immer betont, dass ich die Auffassung der sogenannten Reichsbürger nicht teile, von denen ich mich auch öffentlich deutlich distanziert habe. Mit meinem ganzen Wesen stehe ich für ein weltoffenes und gastfreundliches Deutschland und einen respektvollen sowie friedlichen Umgang miteinander.
Ich stehe für Meinungsfreiheit. Es ist allerdings schade, dass Menschen, die mich ganz offensichtlich nicht kennen, aufgrund unzutreffender Darstellungen substanzlos und schlecht über mich reden.”
Xavier Naidoo, 19.11.2015